Hornjäger (German Edition)
auf zwei Beinen zu gehen. Wenn sie wirklich hier draußen lebte, wunderte ihn ihr Verhalten in keinster Weise. Jetzt hieß es, die Situation richtig einschätzen, um den möglichen Schaden zu minimieren!
Helwyr verlagerte vorsichtig sein Gewicht. Auch ein winziger Augenblick konnte im Kampf entscheidend sein! Jetzt musste er nur noch herausfinden, ob von dieser Verrückten tatsächlich Gefahr ausging, oder er wieder einmal überzogen reagierte.
Euphena neben ihm wimmerte leise.
Die Frau hockte sich vor sie und betrachtete sie interessiert aus ihren schwarzen Augen. Ein widerlicher Gestank nach faulendem Moor umwehte das Knochengestell, das mit dem Finger die Fugen zwischen den Steinfliesen nachzeichnete. An der linken Hand trug sie einen breit gefassten Steinring. Ein seltsames Exemplar. Es wirkte auf Helwyr fast so, als hätte sie ihn hier zwischen den Trümmern gefunden und behalten. Zumindest ähnelte er in seiner Ausführung stark dem übrigen Dekor.
Die beiden Frauen maßen einander mit Blicken.
Helwyr sagte nichts. In so einem Moment war es als Mann nicht ratsam, auf sich aufmerksam zu machen. Das hatte er bei Hofe einst auf die harte Tour gelernt. Vermutlich war das auch mit ein Grund, warum er die feine Gesellschaft und die dazugehörigen Fräulein mied.
»Das ist Euer Haus?« Euphenas Stimme klang schon ein wenig sicherer.
Die Frau nickte und starrte auf Euphenas Halskette. Offensichtlich gefiel ihr, was sie sah.
»Dann könnt Ihr mir sicher etwas zu den Steinfiguren sagen, die so manchen Türrahmen hier zieren? Mir gefallen die lustigen Männchen mit den Hörnern besonders gut. Sie wirken ja fast wie kleine Ziegen!« Wie beiläufig ließ Euphena ihre Kette in den Tiefen ihrer Bluse verschwinden.
»Steinfiguren? Ah, jaja.« Die Frau fuhr sich über ihr Gesicht. »Weiß es nicht. Die waren schon da, als wir eingezogen sind.« Sie winkte ab. »Unwichtiges Zeug! Zeigt mir lieber die Kette, die Ihr da habt. Die sieht aus, wie etwas ganz Feines, ja.«
Helwyr Alarmglocken schrillten. »Wir?«
Der Kopf der Frau zuckte in seine Richtung und maß ihn von Kopf bis Fuß mit einem äußerst abschätzigen Blick. Sie schien nicht erfreut über seine Unterbrechung.
»Ja, wir!« Sie grunzte.
Euphena verzog das Gesicht. Helwyr schmunzelte. Auf eine komische Art sah sie so immer noch süß aus.
»Und wer ist das, wenn ich fragen darf?«
Sie war sichtlich genervt von seinen Unterbrechungen und wandte sich wieder Euphena zu. Helwyr musste wissen, wer noch in diesen Gemäuern lauerte. Überraschungen waren selten gut!
»Ach bitte ... nehmt meinem Mann seine Neugier nicht übel!« Euphena hatte einen entspannten Plauderton angeschlagen. »Er ist Jäger, wisst Ihr? Steckt seine Nase überall rein und möchte alles wissen. Männer haben eben nicht die feinfühlige Art, die uns Frauen zu eigen ist!« Sie lachte ein perfektes Teekränzchen Lachen.
»Jaja.« Die Frau lachte ebenfalls. Bei ihr klang es jedoch nicht, nach jahrelang trainierter Täuschung, sondern mehr wie ein ersticktes Quieken. »Mein Mann ist auch sehr uneinfühlsam ... sehr uneinfühlsam.« Sie schüttelte den Kopf. »Aber hier gibt es nur wenige Männer, wisst Ihr? Da muss man nehmen, was man kriegen kann!« Sie kicherte kurz.
»Aber natürlich, meine Liebe! Da habt Ihr vollkommen Recht!« Euphena neigte sich leicht nach vorn, als würde sie zu einer Vertrauten sprechen. »Ich nehme an, Euer Mann wohnt auch hier bei Euch?«
»Wir sind gemeinsam hier eingezogen, ja! Aber er ist viel unterwegs.«
»Heute auch?« Was nach einer mitfühlenden Plauderei klang, war eiskalte Berechnung. Helwyr persönlich hätte es genügt dieses Weib entweder zu verjagen, oder ihr den Garaus zu machen, wenn sie ungemütlich wurde, aber Euphena wollte mehr. Sie wollte Informationen! Helwyr war beeindruckt. Das hier war eine Schlacht, die er nie schlagen könnte!
»Nein, zum Glück nicht. Er muss sowieso bald nach Hause kommen.«
Euphena nickte interessiert.
»Aber Ihr könnt nachher mit ihm sprechen, er kann Euch sicher mehr über die Männchen mit den Hörnern sagen. Er hat schon hier gelebt, als sie noch diese Wäldern durchwanderten.«
Euphena neben ihm sog hörbar die Luft ein. »Diese Männer haben hier gelebt? Seid Ihr da sicher?«
»Natürlich bin ich sicher!« Die Frau wurde ungeduldig. »Zeigt mir jetzt lieber Eure Kette!«
Euphena umfasste Pollias Anhänger mit der Linken. »Weshalb haben sie diese Wälder verlassen? Und wo sind sie hingegangen? Oder
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