Hornjäger (German Edition)
sich diese Furie überhaupt ein? Euphena rannte ja auch nicht durch die Gegend und versuchte die Reittiere anderer Leute zu fressen! Außerdem hatte sie zum ersten Mal in ihrem Leben ein Pferd und das ließ sie sich bestimmt nicht von irgendeiner dahergelaufenen Psychotante unter der Nase wegfressen!
»Ich warne Euch, bleibt stehen.«
»Aber wir haben Hunger, nicht wahr, mein Liebling? Ja, Hunger haben wir!« Sie machte zwei schnelle Schritte auf Euphena zu.
Helwyr neben ihr beobachtete den Keiler. Außer einem tiefen Grunzen beteiligte der sich kaum am Geschehen.
»Wir haben auch Hunger, aber trotzdem werden wir die Pferde nicht schlachten!« Euphena ballte ihre Hände zu Fäusten. Unhöfliches Benehmen war ihr so zuwider!
»Wir teilen?« Die wilde Eberfrau sah sie abschätzend an.
»Nein! Das könnt Ihr vergessen!«
»Dann will ich Eure Kette!« Sie verschränkte die Arme.
»Abgelehnt! Habt Ihr denn überhaupt keine Ahnung von gutem Benehmen?« Euphena wurde es langsam zu bunt.
Ja, natürlich waren sie in ein fremdes Haus eingebrochen und hatten es sich für die Nacht gemütlich gemacht, ohne um Erlaubnis zu fragen. Aber das hier ging zu weit! Ihre Angst war wie vergessen. Sie dachte nicht im Traum daran diesem halben Wildschwein ihren Schmuck zu überlassen, wo die Kette doch das Einzige war, das sie noch von zu Hause hatte!
»Wie könnt Ihr es wagen, uns gegenüber so unverschämt zu sein? Eigentlich solltet Ihr uns das Gastrecht gewähren, wie es sich gehört, aber stattdessen sitzt Ihr da und redet davon, mein Pferd aufzufressen und mir meinen Schmuck zu klauen? Ihr seid doch nicht ganz dicht!«
Die Eberfrau war verwirrt. Unsicher machte sie einen Schritt zurück und sah zu ihrem Keiler. Sie überlegte kurz.
Euphena sah zu Helwyr. Unmerklich deutete er mit dem Kopf in die Glut und tippte dann auf sein Schwert. Erst jetzt verstand sie, was er meinte. Der Schürhaken lag mit der Spitze im Feuer. Gerade, als sie sich der Frau erneut zuwenden wollte, traf sie ein Schlag ins Gesicht. Euphena taumelte rückwärts. Mit wildem Gebrüll stürzte sich die Eberfrau auf sie.
Mit einer Drehung brachte sich Euphena außer Reichweite des zweiten Schlages. Plötzlich ging alles ganz schnell. Aus dem Augenwinkel bemerkte sie, wie neben ihnen der Eber zu toben begann. Er hatte es auf Helwyr abgesehen und jagte ihn quer durch den Raum. Rasch trat Euphena der wildgewordenen Frau in den Bauch und nutzte den kurzen Augenblick ihres Schmerzes, um sich den Schürhaken aus dem Feuer zu schnappen.
Helwyr indes, war auf die lange Tafel in der Mitte des Raumes gesprungen und versuchte den Eber auf Abstand zu halten. Mit seinem ganzen Körpergewicht rammte er den Holztisch. Helwyr hatte Mühe sich oben zu halten. Wenn der Eber es schaffte den Tisch umzuwerfen, würde er sehr schnell laufen müssen, oder er war verloren. Das Vieh arbeitete sich durch das Geröll wie eine Lawine durch einen Nadelwald.
In letzter Sekunde bemerkte Euphena, wie die Eberfrau sie seitlich ansprang. Sie streckte den Ellbogen aus und traf den Kiefer der Verrückten. Sie musste sich jetzt konzentrieren, sonst würde sie als Wildschweinfutter enden! Helwyr musste inzwischen alleine zurechtkommen.
Noch bevor sie es bemerkte, wurde sie gepackt und gegen die Ofenwand gedrückt. Die Figürchen, die sie zuvor noch bewundert hatte, bohrten sich schmerzhaft in ihr Fleisch. Kalte Hände schlossen sich um ihren Hals und drückten zu. Euphena rang nach Luft. Sie versuchte sich loszumachen, aber sie hatte die Kräfte der Eberfrau unterschätzt. Dann musste es eben sein! So fest sie konnte, drückte sie den glühenden Schürhaken in die Wade der Frau. Gequält quiekte sie auf. Sofort roch es nach verbranntem Fleisch. Die Eberfrau ließ Euphena los. Entsetzt versuchte sie, sich ihren Hals wieder frei zu husten.
Helwyr hatte es inzwischen geschafft, dem Keiler kleinere Schnittwunden zuzufügen. Aber eine wirkliche Chance hatte er gegen ihn nicht. Durch die Schmerzensschreie der Eberfrau angespornt hieb er mit seinen Hauern alles kurz und klein. Mit einem zornigen Quieken brachte er den Tisch endgültig zum Kippen. Euphena schrie erschrocken auf. Helwyr sprang vom fallenden Tisch und hechtete so schnell er konnte in einen Nebenraum. Der wütende Keiler preschte ihm hinterher und rannte alles um, das ihm den Weg versperrte.
Humpelnd kam die Eberfrau erneut auf Euphena zu. Ihr irrer Blick hatte sich ganz auf Euphenas Halskette gerichtet. Ihr Verstand schien schon
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