Hornjäger (German Edition)
des Saales. Einige der Stühle waren zur Seite gestellt worden, oder umgefallen, fast so, als wäre jemand in aller Eile von der Tafel aufgesprungen und fortgelaufen. Zwischen den Steinen und dem Staub lag Gerümpel im Raum verstreut, wie achtlos fallengelassen und nie wieder aufgehoben. Schutt und Mauerreste hatten sich wie ein gespenstischer Schleier der Zeit über den Boden gebreitet. Euphena trat an den Kamin und streckte ihre klammen Finger den Flammen entgegen. Das war schon um Einiges besser!
Helwyr hatte sich Mühe gegeben, ihnen ein bequemes Lager einzurichten. Hestus Pferdedecke lag ausgebreitet vor dem Feuer auf den schmutzigen Steinfliesen, und daneben hatte er ihre wenigen Sachen ausgebreitet.
»Es ist leider nichts Besonderes.« Helwyr stand dicht hinter ihr.
Euphena wandte sich zu ihm um und lächelte ihn nur dankbar an.
Er räusperte sich. »Ich hole jetzt die Pferde herein. Mal sehen, ob ich Hestus in letzter Zeit zu gut gefüttert habe und er überhaupt noch durch die Tür passt.«
Euphena schmunzelte. Helwyr verschwand durch die Vordertür.
Interessiert schlenderte sie durch den Raum und stieg über Unrat und Dinge, die sie lieber nicht näher bestimmen wollte. Da das Feuer nicht den ganzen Raum erhellte, schritt sie gemächlich die Wände ab. Wenn es irgendwo Türen oder Löcher gab, wollte sie wissen, wo sie waren, bevor sie sich zur Ruhe bettete. Verträumt strich Euphena mit den Fingern an der Wand entlang. Sie spürte den rauen Stein, die Kälte, die sich darin gefangen hatte, und ertappte sich plötzlich bei dem Gedanken, wie Helwyrs Haut sich wohl anfühlen mochte, wenn man mit den Fingerspitzen darüber strich. Euphena war verwirrt.
Grummelnd schüttelte sie den Kopf. So toll war er jetzt auch wieder nicht! Oder? Sie seufzte. Die Wildnis tat ihr nicht gut!
In diesem Moment griff sie ins Leere. Hier an der hinteren Wand öffnete sich ein Durchlass in einen zweiten Raum. Er war wesentlich kleiner und das Dach zum Großteil eingebrochen. Durch das Gerippe der Konstruktion konnte sie, wenn sie einen Schritt zur Seite machte, sogar ein paar Sterne sehen. Aber außer dem ewigen Schutt und Pflanzenteilen war kaum etwas in der Dunkelheit zu erkennen. Es musste einst ein herrschaftliches Haus voller Leben gewesen sein! Euphena drehte sich vergnügt. Hier hatten bestimmt rauschende Feste stattgefunden. Mit einem Ochsen, der über dem Feuer gebraten wurde, hübschen Mädchen, die die Nacht durchtanzten und einer Musik, die schon seit vielen Jahreszeiten verstummt war. Sie vermisste das Leben bei Hofe! All den Glanz und Luxus und sogar ein bisschen die drückende Schwere, die sich stets über alles legte, wenn zu viele Menschen in einem Raum waren, und die ihr sonst so verhasst war.
Den Duft des Reichtums hatte die Zeit längst aus den Löchern in den Wänden geweht. Jetzt erinnerte nichts mehr an die Glanztage dieses Gemäuers. Nur der Geruch nach Moder und Staub hing in der Luft. Euphena schnupperte. Er mischte sich mit einer anderen Note ... was war das? Ein Hund vielleicht? Nein, es roch plötzlich würziger und irgendwie herber! Sie konnte diesen Duft nicht zuordnen.
Vorsichtig trat sie tiefer in den finsteren Raum. Eigentlich wollte sie sich nicht vom Licht entfernen, aber die Sache interessierte sie! Ihre Augen gewöhnten sich nach und nach an die Dunkelheit. Schritt für Schritt arbeitete sie sich vorwärts. Der Geruch wurde stärker.
Plötzlich stieß sie mit dem Fuß an etwas Hartes. Ein stechender Schmerz durchfuhr ihre Zehen. Schnell ging sie in die Knie, um den Boden zu untersuchen. Ihre Hände glitten über etwas Kaltes. Erleichter atmete sie auf. Nur ein Stein!
Kopfschüttelnd erhob sie sich. Wie schreckhaft sie geworden war! Ein paar Tage auf Reisen, verfolgt von Möchtegernbanditen und sie verlor bei jeder Kleinigkeit die Nerven. Sie musste sich zusammennehmen! Sonst würde Helwyr sie schlussendlich doch für die pikierte Hofdame halten, die sie sich weigerte zu sein.
Auf einmal klackte es vor ihr in der Dunkelheit! Euphenas Herz setzte aus! Sie hatte sich nicht bewegt! Angestrengt lauschte sie in die Schwärze. Ein Schauer fuhr ihr über den Rücken. Direkt vor ihrem Gesicht atmete etwas!
Sie starrte in die Dunkelheit. So sehr sie sich auch anstrengte, sie konnte rein gar nichts erkennen! Was bei allen Göttern war da? Einen kurzen Augenblick lang glaubte sie, ein Augenpaar aufblitzen zu sehen. Oder hatte sie sich getäuscht? Panik kroch in ihre Glieder. Was sollte sie
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