Hornjäger (German Edition)
Vieles genauso überholt und veraltet, wie das wöchentliche Waffentraining, das für den König vorgesehen war.
Zwei Pfeile waren noch übrig, dann konnte er endlich zum Faustkampf übergehen. Der lag ihm mehr. Auch wenn seine Gegner kaum zuschlugen und große Teile des anwesenden Hofstaates, jeden Treffer mit einem »Oh!« oder »Ah!« kommentierten.
Fengus drehte sich um und ließ den Blick durch den Garten zu den Arkadengängen schweifen. Im Schatten drängten sich die üblichen Gesichter. Großteils unverheiratete Frauen, die glaubten ihn durch besonders helles Lachen, oder ein winken mit dem Taschentuch beeindrucken zu können. Er lebte in einem überdimensionierten Hühnerstall voller Füchse und genug dummen Hühnern, um damit ein Festbankett ausrichten zu können.
»Majestät? Alles in Ordnung?« Der Waffenmeister trat näher und sah ihm besorgt ins Gesicht. Sofort umwehte Fengus ein Hauch von Zwiebelsuppe.
»Ja natürlich!«, knurrte er. Dass alle dreimal nachfragen mussten, ob bei ihm alles in Ordnung war, störte ihn am meisten. Als er in jungen Jahren an der Seite seines Vaters durch Schlammlöcher gewatet war, ständig in der Angst vor einem Hinterhalt und seine Freunde und Kameraden entweder wahnsinnig geworden waren, oder nächtens die Kehle durchgeschnitten bekommen hatten, hatte sich auch niemand für sein Wohlbefinden interessiert. Wenn er wieder einmal blutend in einem Graben gelegen hatte, waren es meist Bauernburschen, oder - man sollte es nicht glauben - umherstreifende Vagabunden gewesen, die ihn wieder zusammengeflickt hatten. Diese Frage galt für ihn als eine billige Art des sukzessiven Ruhmerwerbs. Sie war genauso viel wert wie Hundedreck!
Fengus legte an, zielte blitzschnell und ließ den Pfeil von der Sehne schnellen. Er fluchte leise, die Federwickelung hatte ihm die Haut am linken Zeigefinger eingeritzt.
»Bravo! Bravo!«, rief der Waffenmeister begeistert. Hinter ihm klatschte es zögerlich und sehr damenhaft.
Fengus Mundwinkel zuckte überrascht. Er hatte den schwarzen Kreis in der Mitte getroffen.
Ardianna, die bis jetzt zusammen mit der Prinzessin auf einer Decke im grünen Gras des Gartens gesessen, und ihre Stickarbeit überwacht hatte, stand nun auf, und kam zu ihnen herüber.
»Ganz vortrefflich, Bruderherz! So gut hast du schon lang nicht mehr geschossen! Ein Glückstreffer! Oder was meinst du?«
»Ja natürlich, aber diese Narren sind trotzdem gebührend beeindruckt«, raunte er ihr zu.
»Hmm«, machte Ardianna, »Eine eigene Meinung scheinen sie wirklich nicht zu haben.« Sie kicherte leise und wandte sich wieder zu ihrem Bruder. »Wenn du endlich heiraten würdest, wärest du wohl zwei Drittel deiner Zuschauer los.«
»Wenn ich ein tugendhaftes Mädchen mit Charakter finde, werde ich es mir wohlwollend überlegen, aber bis dahin verschone mich bitte damit! Ich habe auch so schon genug zu tun!«
»Ja, du forderst deine Glücksgöttin heraus und versuchst Pfeile in ein Ziel zu bekommen, das für die Entfernung schon lächerlich groß ist.«
»Bitte!« Fengus streckte seiner Schwester den Bogen hin. »Wenn du möchtest, versuche dich darin!«
Das entsprach zwar so gar nicht dem Zeremoniell, weder von Fengus‘ noch von Ardiannas Seite, doch das war ihnen egal. Es war ihnen eigentlich schon immer egal gewesen. Elegant warf sie ihre weiten Ärmel zurück, nahm Pfeil und Bogen, legte an und schoss. Ihr Pfeil bohrte sich in die Mitte der Scheibe. Exakt neben den ihres Bruders.
»Guter Schuss!«
»Danke! Irgendjemand muss ja die Ehre der Familie retten, wenn es um das Schießen geht.« Ardianna knuffte Fengus spöttisch in die Wange und verscheuchte den Waffenmeister mit der Hand. Die Pfeile gingen sie selbst holen.
»Mama, Mama! Darf ich auch mal?« Das kleine Prinzesschen hatte ihre Arbeit hingeworfen und lief auf sie zu. Fengus lächelte. Seine Nichte passte in ihrem weißen Kleidchen ganz wunderbar zwischen all die bunten Blumen in den säuberlich gepflegten Beeten. Er fing sie auf und nahm sie hoch. »Wenn du ein bisschen älter bist, schenke ich dir einen eigenen Bogen, versprochen!«
»Oh, wirklich Onkel Fengus?« Ihre Kinderaugen strahlten. Gemeinsam schlenderten sie durch das Gras zur Zielscheibe.
»Bekommt Euphena dann auch einen, damit wir gemeinsam üben können?«
Fengus biss sich auf die Lippen. »Nein, meine Kleine. Du hast doch jetzt ein neues Mädchen, die mit der großen Nase ... keine Ahnung wie die heißt«, murmelte Fengus. »Na auch egal,
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