Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Horowitz, Anthony - Die fuenf Tore 5 - Zeitentod (Das Finale - Teil 1)

Horowitz, Anthony - Die fuenf Tore 5 - Zeitentod (Das Finale - Teil 1)

Titel: Horowitz, Anthony - Die fuenf Tore 5 - Zeitentod (Das Finale - Teil 1) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Horowitz
Vom Netzwerk:
sagte die Frau. „Wir werden in Kürze eintreffen.“
    Aber es war nicht nur die Frauenstimme, die ich hören konnte. Da war noch etwas anderes … Atemgeräusche. Und sie hörten sich kein bisschen menschlich an. Im ersten Moment war ich nicht einmal sicher, ob sie aus dem Telefon kamen. Es fühlte sich an, als wären sie unter mir, tief in der Erde, wie das Grummeln eines bevorstehenden Erdbebens. Und eine Sekunde später waren sie überall um mich herum in der Telefonzelle und drohten mich zu ersticken. Wieder versuchte ich den Hörer aufzulegen und konnte es nicht.
    Ich schaute durchs Fenster, aber der Wald war verschwunden. Er war einfach weg. Alles war weiß und unfassbarerweise schneite es. Jamie war nicht mehr da. In etwa hundert Metern Entfernung entdeckte ich eine Art Burg, die in einen Berg hineingebaut und von riesigen Türmen und Mauern umgeben war. Die Wolken rasten über den Himmel wie im Zeitraffertempo. Alles war grau und weiß.
    „Wer ist da?“, fragte die Frau.
    Und dann wieder dieses Atmen und ein einziges Wort -mein Name: „Holly“. Gesprochen von jemandem im Innern des Bergs. Die Stimme verhöhnte mich. Sie war eisiger und grausamer als alles, was ich je gehört hatte. Ich hielt das Telefon mittlerweile so fest umklammert und an den Kopf gepresst, dass es wehtat. Trotzdem konnte ich es nicht loslassen.
    Ich weiß nicht, was als Nächstes passiert wäre, aber die Tür wurde aufgerissen, Jamie packte mich und riss mich aus der Telefonzelle. Ich schrie auf und ließ den Hörer fallen, der an seiner Schnur hin und her baumelte. Und dann lag ich auf dem Waldboden, in Tränen aufgelöst und so verängstigt wie noch nie in meinem Leben.
    „Was ist los, Holly?“, rief Jamie verzweifelt. „Was ist passiert?“
    Er hielt mich im Arm und jetzt schluchzte ich richtig los. Ich konnte gar nicht aufhören. „Ich weiß nicht“, schniefte ich. „Da war eine Frau. Aber auch noch etwas anderes. Ich habe es gehört. Und ich sah …“
    „Was hast du gesehen, Holly?“
    „Ich weiß nicht. Eine Burg. Etwas in der Art …“ Ich schüttelte den Kopf, um diese Vision loszuwerden. „Aber sie kommen, Jamie. Sie hat es mir gesagt. Sie sind schon auf dem Weg hierher.“
    Er hielt mich fest, bis ich mich halbwegs beruhigt hatte. Als ich mich stark genug fühlte, half er mir auf die Beine und wir gingen nach Hause.
    Zum letzten Mal.

6
     
     
    Wir rannten zurück, weil wir nicht wussten, wohin wir sonst gehen sollten. Mein erster Gedanke war, Jamie aus dem Dorf zu schaffen, damit er nach – egal wohin fliehen konnte. Hauptsache, er verschwand. Aber mir war auch klar, dass es dafür zu spät war, dass es keinen Sinn mehr hatte. Die Stimme am Telefon war kein Mensch gewesen. Kein Mensch hätte so sprechen können. Und sie hatten meinen Namen gekannt, hatten gewusst, dass ich am anderen Ende war, noch bevor ich ein einziges Wort gesagt hatte.
    Die Alten.
    Sie mussten es sein.
    Als Jamie mir an dem Abend nach der Prügelei mit George seine Geschichte erzählt hatte, hatte ich ihm jedes Wort geglaubt, obwohl mir meine Vernunft und alles, was ich über die Welt wusste, einreden wollten, dass es nicht stimmen konnte. Trotzdem hatte ich keine Sekunde an ihm gezweifelt. Wieso nicht? Vielleicht, weil ich es war, die ihn gefunden hatte, oder vielleicht waren wir auch seit dem Moment, als sich die Tür geöffnet hatte, irgendwie miteinander verbunden. Es war, als sollte es so geschehen. Doch im Moment wurde ich nur von einem einzigen Gedanken beherrscht: Er hatte das Dorf in Gefahr gebracht und damit die einzigen Menschen, die mir etwas bedeuteten.
    „ Wir werden in Kürze eintreffen.“
    Ich musste mir wieder ins Gedächtnis rufen, dass es nicht seine Schuld war. Es war die von Miss Keyland. Sie hatte sich gegen den Entschluss des Rates gestellt und uns damit alle geopfert.
    Als wir das Haus betraten, bereitete Rita das Abendessen zu und wunderte sich schon, wieso wir so spät kamen. John deckte den Tisch und verteilte die Teller so sorgfältig, als gäbe es etwas anderes als das übliche Brot und den gewohnten Gemüseeintopf. Rita merkte sofort, dass etwas nicht stimmte. Ich hatte mir bei der kopflosen Flucht aus dem Wald die Kleider zerrissen. Meine Haare waren zerzaust und meine Augen vor Angst vermutlich weit aufgerissen. Jamie war leichenblass und gab sich bereits die Schuld an allem. Ich konnte verstehen, wie er sich fühlte. Obwohl ich es besser wusste, wollte ein Teil von mir ihm ebenfalls die Schuld

Weitere Kostenlose Bücher