Horror Factory 10 - Rachegeist
sich an Becca, die mit ihnen und Elizabeth und Marc dicht gedrängt auf dem Sofa sitzt.
Ich achte kaum auf Danny und Jess.
Stattdessen starre ich Elizabeth und Marc an.
Was machen die beiden hier?
Es gibt nur eine Erklärung.
Sie haben ihre Bemühungen oben abgebrochen und auf später vertagt – und gingen wieder zu den anderen, während ich mit Wild Bill im Gartenhaus und im Keller beschäftigt war.
Bill hat die beiden auf der Treppe erwischt, gestellt und ins Wohnzimmer zu den anderen gescheucht, deren Stimmen er natürlich gehört hat.
Mike wollte seine Familie beschützen, und da hat Wild Bill ihm den Säbelgriff ins Gesicht gehämmert.
Und nun liegt Mike am Boden, derweil die anderen auf dem Sofa kauern und Leonard noch immer teilnahmslos im Rollstuhl am Esstisch sitzt und rein gar nichts von all dem mitkriegt.
Wild Bill fuchtelt mit dem Säbel in Richtung Sofa.
Die Kinder weinen immer lauter.
Sogar Becca zittert und ist blass.
Scheiße.
Was habe ich getan?
Ich baue mich zwischen dem Sofa und dem heruntergekommenen Irren auf, den ich in das Haus meiner Familie gebracht habe.
»Hör sofort auf!«, brülle ich Wild Bill an.
Der Scheißkerl ignoriert mich einfach.
»Hör auf!«, wiederhole ich im besten Befehlston.
Wieder keine Reaktion.
»Größeres Werk, größere Belohnung«, murmelt er bloß.
»Bill! Wild Bill! Larry! Verdammt, antworte mir!«
Doch er tut weiter so, als ob er mich weder sehen noch hören kann.
Ich mustere sein gerötetes Gesicht, das von einem erschreckenden Eifer gezeichnet ist.
Ob er so weit ausgenüchtert ist, dass er mich womöglich wirklich nicht mehr sehen kann?
Existiert bei seinem gegenwärtigen Pegelstand nur noch diese extreme, lodernde Form seines Wahnsinns?
Und was noch wichtiger ist:
Wie soll ich ihn erreichen?
Wie soll ich ihn aufhalten?
Denn genau das muss ich.
Alle Gedanken an Rache sind vergessen.
Schon möglich, dass er Elizabeth und Marc erwischt.
Doch damit wird er sich nicht begnügen.
Nicht bei diesem Blick.
Nicht in seinem Wahn.
Er wird weitermachen.
Meine Kinder.
Meine Enkel.
Meine Familie.
»Setzt euch aufs Sofa!«, schreit Wild Bill Denise und Mike zwischenzeitlich an und unterstreicht seine Forderung mit einem wilden Säbelstreich gegen die Luft über ihren Köpfen.
Die Kinder vergraben den Kopf an Beccas Seite.
»Er braucht einen Arzt!«, sagt Denise.
»Aufs Sofa, Fotze!«, schreit Wild Bill.
Ich weiß nicht, ob es die Beleidigung oder das neuerliche Aufheulen der Kinder ist – jedenfalls fügen sich Denise und Mike und quetschen sich zu den anderen aufs Sofa.
»Mal sehen, mal sehen«, nuschelt Wild Bill und deutet mit dem Säbel nacheinander auf seine Geiseln.
Als würde er anhand eines Kinderreims abzählen.
»Mal sehen. Mit wem fangen wir denn an?«
»Lassen Sie wenigstens die Kinder gehen!«, sagt Denise flehend. »Ich bitte Sie. Ich flehe Sie an!«
»Mit denen fang ich vielleicht an«, kichert Wild Bill.
Mike gibt ein Stöhnen von sich, doch er ist definitiv zu benommen, um etwas zu unternehmen.
Von Marcs Seite aus ist ebenfalls keine Hilfe zu erwarten.
Er schaut den Säbel an wie das Kaninchen die Schlange.
Nur sein Kehlkopf bewegt sich, wenn er schluckt.
»Was wollen Sie?«, fragt Elizabeth auf einmal sachlich.
Die große Matriarchin.
Endgültig das Oberhaupt der Familie.
Wäre die Situation nicht so ernst, würde ich ihr zur Beförderung gratulieren.
Wild Bill beeindruckt sie damit kein bisschen.
Dafür richtet er nun seine Aufmerksamkeit auf sie.
»Hure!«, faucht er und spuckt sie an.
Die anklagende Säbelspitze wandert weiter zu Marc.
»Judas!«, krächzt Bill und spuckt auch Marc ins Gesicht.
Der blickt den Obdachlosen völlig entgeistert an.
Seine Unterlippe zittert leicht.
Elizabeth wischt sich wie in Zeitlupe den Rotz aus dem Gesicht.
Sie runzelt die Stirn.
Was geht wohl in ihren Köpfen vor?
Irrelevant, ermahne ich mich.
Ich darf mich nicht an ihrer Angst weiden.
Sie sind zu nahe an Denise, Becca und den Kleinen.
Ihr Leben ist genauso in Gefahr.
Es ist die Hölle.
Die Manifestation des Gefühls, das jeder Autor kennt, dessen Figuren ein Eigenleben entwickelt haben und entgegen aller Logik und Entwürfe und Pläne tun, was sie wollen.
Das Gefühl, dass einem die Dinge entglitten sind.
Nur dass ich diesmal nicht einfach ein paar Seiten oder Kapitel zurückgehen und mit dem Überarbeiten beginnen kann.
Es gibt bloß die nächste Seite.
Ich muss diesen Verrückten irgendwie
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