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Horror Factory 10 - Rachegeist

Horror Factory 10 - Rachegeist

Titel: Horror Factory 10 - Rachegeist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Endres
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aufhalten.
    »Hör mir zu, Wild Bill«, sage ich, direkt neben ihm schwebend. »Hör mir zu. Du musst nicht antworten. Hör mir einfach zu, okay? Was ich dir jetzt sage, ist wichtig. Lass sie gehen. Alle. Ich bring dich zu deiner Belohnung. Jetzt gleich. Ohne dass du einen Finger krumm machen musst. Du kriegst alles. Alles, was im Safe ist, hörst du? Wild Bill? Kannst du mich hören?«
    Keine Antwort.
    Nicht mal ein verräterisches Zucken.
    Oder ein gieriges Glitzern in den Augen.
    Das Feuer des Wahnsinns brennt alles weg.
    Verdammt.
    »Hör mir zu, du Hurensohn!«, probiere ich es verzweifelt und versuche ihn zu packen.
    Bei der Katze ging es am Ende doch auch!
    Bei Wild Bill allerdings nicht.
    »Wenn du ihnen auch nur ein Haar krümmst, kommt der Zorn der Engel über dich! Hörst du mich? Mit Pauken und Trompeten. Rühr sie an, und du wirst schlimmer leiden, als du es dir in deinen schlimmsten Albträumen vorstellen kannst.«
    Klingt echt überzeugend, wie ich das sage.
    Juckt ihn jedoch abermals kein Stück.
    So viel dazu.
    Was jetzt?
    Meine Gedanken sind wie blockiert.
    Gebannt verfolge ich, wie Wild Bill Denise, Becca, Jess, Danny und die anderen inzwischen damit quält, dass er immer wieder vorstößt, als würde er gleich zustechen.
    Er weidet sich an ihrer Furcht.
    Ihrem Zucken.
    Ihrem Zittern.
    Ihrem Wimmern.
    Ihrem Schluchzen.
    Ihrem Flehen.
    Macht ihm mehr Spaß als die tote Ratte, die er einem seiner besoffenen Pennbrüder gestern aufs Gesicht gelegt hat.
    Vielleicht hätte ich da schon von meinem Vorhaben ablassen sollen.
    Erkennen müssen, dass es Wahnsinn ist, sich mit einem Irren seines Kalibers zusammenzutun.
    Was hat mein Rachedurst aus mir gemacht?
    Doch dafür ist es nun zu spät.
    Es zählt nur noch, die Sache wieder geradezubiegen.
    Die nächste Seite.
    Das letzte Kapitel.
    Also.
    Was kann ich tun?
    Mein Blick schweift durch den großen Raum.
    Über die antiken Möbel.
    Die chinesischen Vasen.
    Die niederländischen Gemälde.
    Die große Vitrine.
    Die Buchregale.
    Den Kamin.
    Die Stehlampen in der Ecke.
    Fast gleitet mein Blick über Leonard hinweg, so unbedeutend und armselig ist seine Erscheinung.
    Fast.
    Das ist es!
    Wieso habe ich da nicht früher dran gedacht?
    Ich eile zum Esstisch.
    Zu Leonard.
    Schwebe vor seinem Rollstuhl.
    »Kannst du mich hören?«, frage ich ihn hastig.
    Scheint mein neuer Lieblingssatz zu sein.
    Wie Wild Bill, reagiert auch Leonard nicht.
    Kein Problem.
    Ich muss mich lediglich gut genug konzentrieren.
    Mich zusammenreißen.
    Für Denise.
    Für Becca.
    Für Jess.
    Für Danny.
    Los.
    Komm schon.
    Ich konzentriere mich auf Leonard.
    Mache ihn zum Mittelpunkt meines Denkens und Verlangens.
    Zum Zentrum all dessen, was ich möchte.
    Zu meinem solitären Ziel.
    Was gar nicht so leicht ist, wenn zwei Meter hinter einem ein irrer Penner die eigene Familie mit einem Säbel bedroht und jeden Moment mit dem Abschlachten beginnen kann.
    Nein.
    Nicht ablenken lassen.
    Konzentration.
    Ich reiße mich zusammen.
    Suche nach dem Zugang.
    Werde zu Wasser, das seinen Weg sucht.
    Das seinen Platz findet.
    Als ich das Schwindelgefühl und das Ziehen spüre, habe ich erst furchtbare Angst, dass meine Zeit um sein könnte.
    Dass das Universum selbst über den Tod hinaus einen feinen Sinn für Dramatik und Grausamkeit besitzt.
    Dann aber erkenne ich, dass es etwas anderes ist, und konzentriere mich wieder auf mein Ziel.
    Es ist wie bei der Katze vor ein paar Tagen.
    Mit dem Unterschied, dass ein Rest von Leonards Geist noch immer tief in ihm drin ist.
    Irgendwo im hintersten Winkel.
    Kann nicht mehr viel sein.
    Ich stelle mir vor, wie ich diesen Rest zur Seite dränge.
    Wie ich den Platz für mich beanspruche.
    Der Widerstand ist gering.
    Ich spüre … etwas.
    Dann ist da nichts mehr.
    Der Weg ist frei.
    Auf einmal sehe ich Wild Bill mit meinem Säbel und das Sofa mit meiner Familie aus einer anderen Perspektive.
    Der Perspektive eines Rollstuhlfahrers.
    So weit, so gut.
    Das war der leichte Teil.
    Jetzt muss ich beweisen, dass der Geist wahrhaftig mächtiger ist als das Fleisch.
    Ich gebe alles.
    Jeder Gedanke dient einzig und allein dem Zweck, Leonards Körper zu beherrschen.
    Scheiß auf die Arthrose.
    Scheiß auf alles.
    Ich habe jetzt das Sagen.
    Na los.
    Komm schon.
    Jetzt oder nie.
    Ich spüre den Ruck, der durch den gebrechlichen Körper geht, der so lange nicht mehr benutzt wurde.
    Durch diese marode Hülle, die ich an mich gerissen habe.
    Alles protestiert, als ich Leonard aus

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