Horror Factory - Das Grab: Bedenke, dass du sterben musst! (German Edition)
Himmel aufblicke. Doch schon wenig später gefriert es mir auf den Lippen. Nicht weil die Tür zur Gruft sorgfältig verschlossen ist, sondern weil der Schlüssel weder im Schloss noch in dem Riss steckt, in dem er normalerweise von mir hinterlegt wird.
Ob Meister Cunningham ihn irrtümlich einsteckte, als er fortging, oder ob Edmond ihn an sich genommen hat … in diesem Moment spielt es keine Rolle, wer es verschuldete, nur dass er weg ist, ist von Bedeutung. Wie soll ich jetzt zu Liz gelangen?!
Einen zweiten passenden Schlüssel gab es vielleicht einmal, aber mir ist nicht bekannt, wo er verwahrt wäre. Martha wüsste es vielleicht, doch sie ist fort.
Wie von Sinnen stolpere ich zum Haus zurück. Zu dem Anbau, in dem Gartengeräte und anderes Werkzeug aufbewahrt werden. Nach einigem Suchen finde ich etwas, das sich als Brecheisen verwenden lässt. Das Krachen des splitternden Holzes sollte mich ernüchtern, aber das tut es nicht. Ich werfe das Eisen von mir und stürme in das Grab.
Erst als ich mich neben dem Sarg niederlasse, glätten sich meine aufgewühlten Gefühle.
Zunächst ist alles ist wie in den Nächten davor. Lizzys Liebe stellt keine Bedingungen, Lizzys Liebe schenkt mir einen Frieden, wie ich ihn jenseits des Grabes nicht mehr zu finden vermag.
Doch gerade dieses Wohlgefühl ist es, das eine neue Saat in meine Seele pflanzt. Schon einmal träumte mir, dass ich neben meinem geliebten Weib in deren Sarg liege, ihr Kopf auf meinen Arm gebettet, ihr seidenes Haar an meinem Gesicht … Nun aber mag sich etwas in mir nicht länger mit Träumen zufrieden geben. Dieses Etwas lässt mich selbst tief in meinem Kern erschaudern. Doch der Wunsch, nicht länger durch Barrieren aus Stein von ihr getrennt zu sein, lässt sich in dieser Nacht nicht mehr bezähmen. Und so kommt es, dass ich noch einmal nach draußen wanke, nach dem Eisen suche, mit dem ich die Tür aufbrach, und es, als ich es gefunden habe, an mich nehme und damit tue, was die Welt nicht verstehen würde. Niemand fühlt, was ich fühle. Niemand weiß, was Liebe vermag. Der tote Körper, mag er seine einstige Frische auch eingebüßt haben, wird mich nicht schrecken. Mein Blick wird nicht nur die Oberfläche streifen, sondern tiefer gehen.
Ach, Lizzy.
Die Sehnsucht nimmt überhand. Es ist, als würde ich neben mir stehen und mich dabei beobachten, wie ich den schweren Deckel des Sarkophags beiseiterücke, indem ich mit dem abgeflachten Eisen in den Spalt stoße und es als Hebel benutze.
Feiner Staub knirscht, während Zoll um Zoll Stein auf Stein verrückt wird. Aber einmal in Bewegung versetzt, scheint der Deckel wie auf einem Ölfilm dahinzugleiten. Fast ist mir, als würden unsichtbare Hände mit anpacken und mich unterstützen.
Dann ist der Deckstein weit genug verschoben, quer zur Hauptachse kommt er zum Liegen.
Ich warte, bis sich mein keuchender Atem beruhigt hat, dann nehme ich die am Boden abgestellte Lampe und hebe sie über die geschaffene Öffnung. Das Licht verfängt sich in Liz’ Antlitz.
Ich fange an zu schreien.
*
Es ist für mich, als wäre ich über Wochen mit Blindheit geschlagen gewesen und hätte nun unverhofft eine Wunderheilung erfahren, die mir mein Augenlicht zurückgibt. In Liz’ Gesicht zu schauen ist in die Sonne schauen. Es strahlt so unversehrt und makellos schön, als hätten wir sie eben erst in ihr weißes Totenkleid gehüllt und hier abgelegt.
In dem Moment, da ich realisiere, dass ich es bin, aus dessen Kehle sich die Schreie lösen, verstumme ich. Aber obwohl ich ihre liebende Wärme selbst durch die Wände ihres Sarges hindurch zu spüren vermochte, all die Tage jetzt schon, hadere ich mit meinem Verstand; nicht einmal mir will es natürlich scheinen, was ich sehe: Wo sind die hässlichen Spuren der Verwesung, die meine wunderbare Gemahlin nach all der Zeit zeichnen müssten? Sie aber scheint mich durch die geschlossenen Lider hindurch anzusehen, als läge sie noch nicht einmal schlafend, sondern wach da.
Ich kann nicht anders, ich muss mich zu ihr hinabbeugen und mit meinen Fingerspitzen sacht über ihre Wange streichen, wie ich es oft tat, wenn sich eine widerspenstige Strähne ihres hochgesteckten Haares gelöst und dahin verirrt hatte.
Kalt.
Ihre Haut ist eisig kalt, und doch fühle ich mich auch jetzt von Liz gewärmt. Aber es ist keine mit Instrumenten messbare Wärme, sondern etwas, das ihre bloße Nähe in mir zu entzünden vermag.
Nur in mir, dessen bin ich mir sicher.
Und während ich
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