Hot Summer
Moment erkannte ich Marys Stimme nicht. Sie klang, als flüsterte sie in den Telefonhörer, während sie in einem Wandschrank stand. Vielleicht tat sie das auch.
„Mary?“
„Du musst sofort herkommen“, wiederholte sie. „Ich weiß nicht, was ich sonst tun soll, und du bist die Einzige, die mit ihm klarkommt, wenn er so ist.“
In mir zog sich alles zusammen. „Moment, Moment. Was ist da los?“
„Es ist Dad“, sagte sie, und mehr brauchte ich nicht wissen, ich stellte keine Fragen, sondern legte auf und schaltete wieder zu meiner anderen Schwester.
„Ich bin in zwanzig Minuten da“, sagte Patricia sofort. „Die Kinder sind über Nacht bei Seans Eltern, und er hat ein Meeting. In zwanzig Minuten bin ich da.“
Wir legten auf, ohne uns voneinander zu verabschieden.
Patricia und ich lenkten unsere Autos zur selben Zeit in die Einfahrt meiner Eltern, obwohl sie weiter weg wohnte. Marys Auto stand vor der Garage, direkt neben dem meines Vaters. Das Auto, mit dem meine Mutter normalerweise fuhr, war nicht da. Patricia und ich stiegen aus. Wir verharrten kurz und lauschten, ob von drinnen laute Stimmen zu hören waren. Ich hörte nichts, aber das musste nicht bedeuten, dass es im Haus ruhig war.
Claire öffnete die Tür, sobald wir die vordere Veranda betraten. Sie hatte sich das Haar aus dem Gesicht gebürstet und trug kein Make-up. Ihre Augen waren rot unterlaufen, aber wenn sie vorher geweint hatte, dann tat sie es jetzt jedenfalls nicht mehr.
„Es ist Dad“, sagte sie. „Er ist verdammt durchgedreht. Du musst mit ihm reden, Anne. Du bist die Einzige, auf die er hören wird. Er ist einfach ausgerastet.“
Patricia und ich warfen einander kurze Blicke zu. Dann folgten wir Claire ins Haus. Die meisten Lichter waren ausgeschaltet, und die Räume wirkten dämmrig. Am anderen Ende des dunklen Flurs sahen wir ein goldenes Rechteck. Dort war die Küche. Dort brannte Licht, und dorthin brachte uns jetzt Claire.
In der Küche saß mein Vater am Küchentisch. Eine fast leere Flasche seines liebsten Whiskeys stand vor ihm auf dem Tisch. Daneben stand ein Glas, das ebenfalls fast leer war. Seine Augen waren blutunterlaufen, das Haar zerwühlt. Er blickte auf, als wir die Küche betraten.
„Da ist sie ja“, sagte er und nickte zu Claire herüber. „Hat sie es euch schon erzählt? Was sie getan hat?“
„Ja, Dad“, antwortete Patricia. „Wir wissen davon.“
Mein Vater lachte hart und böse auf. „Eine gottverdammte Nutte ist sie! Taucht hier auf, trägt stolz ihren dicken Bauch zur Schau. Als gäbe es einen Grund, stolz zu sein …“
Er schenkte sich nach und trank. Wir beobachteten ihn. Mary lehnte an der Anrichte. Die Arme hatte sie fest über dem Bauch verschränkt. Claire füllte an der Spüle ein Glas mit Wasser und trank es beinahe trotzig. Patricia und ich standen direkt neben der Küchentür. Unser Vater knallte sein Glas auf den Küchentisch. Wir zuckten alle zusammen.
„Ich sollte deinen Arsch direkt auf die Straße setzen!“
„Das wirst du nicht müssen“, erwiderte Claire. „Ich habe dir doch schon gesagt, dass ich ausziehen werde.“ Sie schaute mich an. „Ich habe ihm erklärt, dass ich mir eine eigene Wohnung suchen will, und er hat gefragt, warum.“
„Weil sie allen Ernstes denkt, ich wäre so dumm, es nicht zu merken“, bemerkte er und blickte Claire finster an. „Jeder auf der Welt weiß es bereits, aber mir sagt es niemand. Deinem Dad hast du es nicht gesagt.“
„Weil ich gewusst habe, dass du dich so verhalten würdest“, schrie Claire und warf die Hände hoch. Sie war die Einzige von uns, die es wagte, ihm so die Stirn zu bieten.
„Und jetzt erzählt sie mir, sie will den Bastard auch noch behalten!“
„Dad, um Himmels willen!“, entrüstete sich Claire. „Niemand sagt heutzutage noch Bastard zu unehelichen Kindern!“
Er fuhr zu ihr herum. „Halt die Klappe, du kleine Schlampe!“
Die Beleidigung sollte ihr wehtun, doch sie rollte nur die Augen und machte eine drehende Bewegung mit ihrem Finger an der Seite ihres Kopfs. Unser Vater stand so schnell vom Stuhl auf, dass dieser nach hinten umkippte und mit einem Knall auf das Linoleum aufschlug. Er nahm das Glas vom Tisch und zielte damit auf Claires Kopf. Es verfehlte sie, doch es zerbrach an der Wand neben Patricia, die aufschrie und beiseitesprang.
Unser Vater zeigte mit einem zitternden Finger auf Claire. „Du gottverdammte kleine Nutte! Du bist genauso wie deine Mutter!“
„Rede nicht so
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