Hot Summer
auf meinen Teller. Es war die Sorte Chips, die ich nie für uns kaufte, weil ich dazu tendierte, die komplette Tüte innerhalb eines Filmabends leer zu futtern.
Es gibt keinen Ort, der ist wie dein Zuhause. Hieß es nicht so? Zu Hause wird für mich immer der Geruch nach Zigarettenqualm und billigem Haarspray sein, der Geschmack von fettigen Chips. Plötzlich fühlte ich mich von jetzt auf gleich weinerlich. Meine Emotionen waren ein Auf und Ab wie die Fahrt in einer Achterbahn.
Meine Mutter schien das Gott sei Dank nicht zu bemerken. Wir hatten viel Übung darin, nicht über unseren Kummer zu reden. Ich denke, es ist für sie zur Gewohnheit geworden, weil sie allzu oft reden musste, obwohl sie noch heimlich schniefte und die Tränen aus dem Gesicht wischte. Sie plauderte über einen Film, den sie geschaut hatte, und über ein Kreuzstichmuster, das sie ausprobieren wollte. Ich behielt mich unter Kontrolle, indem ich mich darauf konzentrierte, mein Sandwich zu essen, aber es war höchste Zeit für mich, zu gehen.
Ich war nicht schnell genug. Die Hintertür knallte zu, wie sie schon hunderttausend Mal zugeknallt worden war, als ich noch Kind war. Ich hörte das Trampeln schwerer Stiefel.
„Ich bin zu Hauuuuuuse!“, dröhnte die Stimme meines Vaters durch die Räume.
„Dad ist da“, sagte meine Mutter überflüssigerweise.
Ich stand auf. Er kam in die Küche. Seine Augen waren bereits gerötet und auf seiner Stirn glänzte Schweiß. Er breitete seine Arme aus und ich ging gehorsam auf ihn zu, denn ich hatte keine andere Wahl, außer seine Umarmung zu erdulden. Er roch nach Schweiß und Alkohol. Vielleicht schwitzte er den Alkohol wieder aus. Es hätte mich nicht überrascht.
„Wie geht’s meinem Mädchen?“ Mein Vater Bill Byrne konnte sich nur mühsam zurückhalten, mir das Haar durchzuwuscheln.
„Mir geht’s gut, Dad.“
„Hältst dich aus allen Schwierigkeiten raus?“
„Ja, Dad“, lautete meine gehorsame Antwort.
„Gut, gut. Was gibt’s zum Abendessen?“ Er schaute meine Mutter an, die beinahe schuldbewusst auf unsere leeren Teller blickte.
„Ach … bist du schon hungrig?“ Sie begann, die Unordnung aufzuräumen, als müsste sie Beweise vernichten. Sie würde ihm ein komplettes Abendessen kochen, auch wenn sie keinen Hunger hatte.
„Was denkst du denn?“ Er griff nach ihr, und sie kicherte und schlug spielerisch nach ihm. „Annie, du bleibst doch zum Abendessen?“
„Nein, Dad. Ich muss nach Hause.“
„Bill, natürlich muss sie bald heim.“ Meine Mutter schüttelte den Kopf. „James wartet doch auf sie. Und sie haben einen Gast. Alex … Wie war noch mal sein Nachname?“
„Kennedy.“
Mein Vater blickte auf. „Nicht zufällig John Kennedys Junge?“
Ich lachte. „Nein, Dad. Ich denke nicht.“
„Ich meine nicht den Präsidenten“, sagte mein Vater. „Ich meine John Kennedy. Er ist mit Linda verheiratet.“
„Tja, ich weiß es nicht.“ Ich überließ es meinem Vater zu denken, er würde Alex’ Eltern kennen.
„Ach, ist ja auch egal. Was macht er bei euch?“
„Er ist James’ Freund“, warf meine Mutter schnell ein, während sie die Zutaten fürs Abendessen aus dem Kühlschrank holte. „Er ist zu Besuch. Aus Singapur.“
„Ja, dann ist es Johns Junge.“ Mein Vater wirkte selbstzufrieden, als hätte er ein großes Mysterium gelüftet. „Alex.“
Es machte wenig Sinn, ihm zu erklären, dass ich ihm bereits seinen Namen genannt hatte. „Ja. Du kennst seinen Dad?“
Mein Vater zuckte mit den Schultern. „Ich sehe ihn manchmal.“
Ach ja. Ich wusste schon, was das bedeutete. Er traf Alex’ Vater in den Bars.
„Er ist James’ Freund“, wiederholte ich zum gefühlt hundertsten Mal. „Er bleibt eine Zeit lang bei uns.“
„Aber du musst jetzt los, ich hab schon verstanden. Geh schon. Geh.“ Mein Dad winkte mit einer Hand. „Nichts wie weg mit dir!“
Er öffnete den Schrank und nahm ein Glas heraus. Im anderen Schrank stand die Flasche. Ich liebte meine Eltern. Beide. Aber ich konnte nicht bleiben und zusehen. Ich verabschiedete mich und stahl mich davon. Die Fotos, die sie in ihrer Jugend zeigten, drückte ich an meine Brust. Und ließ sie allein mit dem, was sie aus ihrem Leben gemacht hatten.
5. KAPITEL
Alex war noch nicht zurück, als ich heimkam, aber James’ Truck stand in der Einfahrt. Er konnte noch nicht lange zu Hause sein, denn er hatte noch nicht geduscht. Ich ertappte ihn, als er den Kopf in den Kühlschrank steckte, und nutzte
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