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Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Titel: Hotel Mama vorübergehend geschlossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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jedesmal darauf bestand, das frischgetraute Ehepaar nicht nur am, sondern auch ein paarmal im Meer abzulichten. Beide hatten Schuhe und, soweit vorhanden, auch Strümpfe auszuziehen und so weit ins Wasser zu waten, daß die Kleider noch trocken blieben. Das klappte nie, spätestens die dritte Welle war immer etwas heftiger als die zwei vorangegangenen, und so mußte mit schöner Regelmäßigkeit die Braut eine Zeitlang mit nassem Saum und der Bräutigam mit nassen Hosenbeinen herumlaufen.
    Da es heutzutage üblich ist, eine Trauung nicht nur in Form von Fotos, sondern auch auf mindestens zwanzig Meter Videofilm zu dokumentieren, wird ein vermeintlich künstlerisch veranlagtes, meist männliches Mitglied der Hochzeitsgesellschaft dazu verdonnert, den ganzen Tag mit der Kamera herumzurennen und jede Kleinigkeit aufzunehmen. Besonders aktiv wurden die hiesigen Amateurfilmer jedesmal, wenn sie jenen Strandabschnitt betraten, an dem sich die FKKler aufhielten. Natürlich hätte man auch auf demselben Weg zurückgehen können, den man vorher benutzt hatte, doch das kam schon wegen der Profi-Fotos mit dem wellenumspülten Brautpaar nicht in Betracht.
    Deshalb würde sich auch niemals ermitteln lassen, auf wie vielen Hochzeitsvideos unverhofft ein paar Nackedeis zu sehen waren, denn kaum ein Kameramann konnte widerstehen und auf einen Schwenk – oder auch mehrere – über die so gleichmütig in der Sonne brutzelnden Nackten verzichten. Meist waren es die älteren Herren, die sich speziell an diesem Strandabschnitt für die Natur interessierten, bei den Wolkenformationen anfingen, dann die Kamera senkten, ein bißchen Grün erfaßten und schließlich ganz langsam den Strand absuchten, bis sie schließlich aufs Meer schwenkten, auch wenn es da rein gar nichts zu sehen gab. Und dann nochmal dasselbe umgekehrt, man wußte ja nicht, ob man auch alles drauf hatte.
    »Jetzt möchte ich Gedanken lesen können«, hatte Tinchen beim Anblick des unermüdlich filmenden Mannes gesagt, und Fiffi hatte gegrinst. »Warum soll sich Daddy hier nicht ein bißchen Appetit holen? Essen darf er ja doch bloß zu Hause!«
    Doch, Tinchen würde Fiffi Maier vermissen, ihre burschikose Art, ihr manchmal ein bißchen zu lockeres Mundwerk, aber auch ihr Talent, mit Menschen umzugehen. Tinchen hatte sich ja auch schon bei einem Taxifahrer nach dem Preis für eine Fahrt nach Ocho Rios – und natürlich zurück – erkundigt und dann empört abgewinkt: »Ich will Ihr Auto mieten, nicht kaufen!« Wenig später hatte Fiffi einen Vorstoß bei demselben Fahrer unternommen und ihn auf genau die Hälfte heruntergehandelt. »Wie haben Sie das geschafft?«
    »Erst habe ich seinen Wagen bestaunt, weil er weit und breit der gepflegteste ist, was ja auch stimmt, denn nirgends ragt eine Sprungfeder aus dem Sitz. Dann habe ich seinen Sohn bewundert, er hat nämlich ein Foto von einem Baby an der Sonnenblende kleben, und zum Schluß habe ich ihm gesagt, daß wir übermorgen nach Hause fahren müssen, nur noch ganz wenig Geld haben, ich aber unbedingt ein Geschenk für meine kranke Enkelin besorgen muß. Da ist er weich geworden.«
    »Also gut, Punkt eins war Schmeichelei, Punkt drei Tränendrüse, aber Punkt zwei war va banque. Das Baby hätte ja auch eine Tochter sein können.«
    Richtig vorwurfsvoll hatte Fiffi Tinchen angesehen. »Es hatte doch ein blaues Jäckchen an, von Mama oder Oma selbstgehäkelt.«
    Als Alfi seiner Frau in Ocho Rios ein Paar goldene Ohrringe mit je einem kleinen Brilli gekauft hatte (»Zu Hause wären die fast doppelt so teuer!«), wollte sich Florian natürlich nicht lumpen lassen. Tinchen hatte sich ein Armband aussuchen dürfen, zwar ohne Brillanten, aber so etwas Protziges hätte sie sowieso nicht gewollt. Später waren sie in die Carinosa Gardens gegangen und hatten Coconut Shrimps gegessen.
    Solche Unternehmungen würde es jetzt wohl nicht mehr geben, mußte sich Tinchen mit leisem Bedauern eingestehen, Florian war da etwas schwerfälliger, nicht so spontan, aber vielleicht war es auch besser so, auf die Dauer wären diese Extratouren zu teuer geworden. Schade, daß sie nicht auch unter
Alles inklusive
fielen. »Und überhaupt wollen wir uns ja erholen!« sagte sie zu dem Riesenkaktus, an dessen Stacheln sie schon einmal mit dem Rock hängengeblieben war. »Am besten fange ich sofort damit an! Was meinst du, ob die Strandbar schon offen ist?«

12.
    Mit allen Anzeichen des Entsetzens stürzte Florian in den Bungalow, wo Tinchen gerade

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