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Hotel Nirgendwo - Roman

Hotel Nirgendwo - Roman

Titel: Hotel Nirgendwo - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Zsolnay Verlag
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Wir waren, um es einfach auszudrücken, aus anderen Gründen hier. Wir aßen aber inzwischen auch Salzgebäck, auch wenn das Wort bei uns ein wenig in die Länge gezogen ausfiel, sodass wir es in der Bäckerei selten ohne ein zweideutiges Lächeln bekamen. Als würde es sich um etwas wirklich Wichtiges handeln und nicht um ganz gewöhnliches Gebäck.
    Wir kannten nur die kleinen, verrauchten Cafés, die sich direkt an irgendwelchen Busbahnhöfen befanden, die Busse fuhren nur vier Mal am Tag, und irgendwo musste man schließlich auf sie warten. Zagreb beschränkte sich für uns auf ein paar wenige Plätze, da war die Vertretung der Stadt Vukovar, das Apel-Zentrum, Onkel Grgos Schuhladen und die Čerina-Straße, in der sich das Büro der Wohnungsgenossenschaft befand. Der Name Vjekoslav Čerina ging uns irgendwann auch problemlos über die Lippen, als würden wir den Namen eines guten Freundes aussprechen, und keiner von uns fragte sich jemals, wer dieser Mensch eigentlich war. In meinen Ohren klang Čerina wie der Name eines nicht gerade freundlichen Indianers, der es in irgendeinem Krieg zur Berühmtheit gebracht hatte, indem er sich in der Kunst des Skalpierens hervorgetan hatte.
    Eines Tages kam eine Nachricht, und zwar telefonisch. Die Leute von der Wohnungskommission hatten an der Rezeption angerufen. Eine Dame bat uns, so schnell wie möglich in ihr Büro zu kommen, sie hatte eine wichtige Frage. Diese Nacht konnten wir nicht schlafen. Wir hatten das Gefühl, dass sich die Dinge in unserem Land zum Guten entwickelten. Wir mussten nur noch kurz weiterkämpfen und durchhalten, aber es gab noch Gerechtigkeit, es gab jemanden, der an uns dachte. Und eines Tages würden wir stolz auf das Opfer sein, dass wir für die neue Gesellschaft erbracht hatten, in der nicht alles über Beziehungen funktionierte. Über solche Dinge redeten wir noch lange nachdem wir das Licht ausgeschaltet hatten. Mir war es gar nicht so recht, dass wir nun bald fortgehen würden, Jelena, Marina, Vesna, Ivana und ich waren unzertrennlich, und unser Verhältnis zu den Leuten aus den Zagorje-Dörfern war inzwischen auch einigermaßen entspannt.
    Das einzige, was mir definitiv nicht leid tat, war, dass Damir eine Freundin aus Zagorje gefunden hatte, es handelte sich um eines der reichsten Mädchen in der ganzen Schule, aber immerhin war sie überhaupt nicht schön. Nur kurze Zeit davor hatte es so ausgesehen, als würden Damir und ich miteinander gehen. Wir sahen uns in jeder Pause, und wenn er in meiner Nähe war, sprach er absichtlich ganz laut, damit ich zu ihm herüberschaute. Ich benahm mich genauso wie er und buhlte ständig um seine Aufmerksamkeit. Ich hatte das Gefühl, seine einzig wahre, aber noch geheime Liebe zu sein, obwohl er schon fast alle Mädchen in der Schule gehabt hatte. Er war auch der hübscheste von allen. Dennoch, ich war überzeugt davon, eine dunkelrote Levi’s-Jeans würde das ihre dazu tun und die Dinge voranbringen. Es war nicht daran zu denken, Mama jetzt darum zu bitten, das wäre geradezu absurd, denn ich wusste, dass es meinem Bruder nicht gutging und wir kein Geld für Medikamente hatten. Ich selbst hatte zuerst gar nicht bemerkt, dass er krank war, und bekam es erst mit, als meine Mama mit Željkas Mama darüber sprach. Sie erzählte ihr, dass mein Bruder grün und ausgemergelt von der Schule nach Hause gekommen sei. »Er hat sich mit allen gestritten und nur noch irgendetwas in sein Heft geschrieben«, sagte sie, »aber er will überhaupt nicht mehr mit mir reden, er macht nur ständig diese heftigen Schluckgeräusche. Ich habe ihn gefragt, ob ihn etwas bedrückt, wegen seiner Freundin oder so. Ich kann ihm nicht den Vater ersetzen, das weiß ich, aber ich kann ihm doch auch helfen, so gut ich eben kann. Dann hat er angefangen zu weinen. Er hat sich am ganzen Körper geschüttelt und gesagt, dass er es satthabe, in diesem mickrigen Zimmer zu wohnen, dass er mich nicht mehr ertragen könne in meinem Kummer, dass er sich schäme, weil er nicht einmal Geld habe, sich mit seinen Freunden eine Cola zu kaufen.« Und dann fing meine Mama an zu weinen und sagte, dass sie doch alles gebe, was sie habe, dass mehr einfach nicht drin sei und dass Oma und Opa ja auch noch da seien, unfähig, sich um sich selbst zu kümmern, geschweige denn, ihr irgendwie von Hilfe zu sein. Und dann, wie immer in solchen Situationen, schimpfte sie über meinen Vater, weil er damals nicht mit uns die Stadt verlassen wollte.
    In dieser

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