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Hotel Nirgendwo - Roman

Hotel Nirgendwo - Roman

Titel: Hotel Nirgendwo - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Zsolnay Verlag
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aber sie ist öfter zu Hause. Wenn sie sagt, dass Papa uns zur Schule bringen wird, zaubert sich von allein ein Lächeln auf unsere Gesichter.
    Ich höre im Halbschlaf, dass der Wecker klingelt, aber aufstehen kann und will ich nicht, bleierne Müdigkeit bindet mich ans Bett. Papa hebt mich aus den Laken, trägt mich ans Waschbecken, wäscht mein Gesicht, während mein Bruder sich allein fertigmacht. Endlich sind wir alle so weit, es geht los. Es ist Winter, weswegen es draußen noch dunkel ist, aber später bemerke ich, dass niemand auf der Straße zu sehen ist. Das Ganze wird immer merkwürdiger, denn als wir auf dem Schulhof ankommen, ist die Eingangstür abgeschlossen, drinnen ist es ist dunkel, und nicht einmal der Hausmeister ist zu sehen. Papa ist verwirrt, wir sehen ihn an, er guckt auf seine Armbanduhr, und dann schreit er wütend auf. »Elende Scheiße! Das kann doch nicht wahr sein«, sagt er, als er begreift, dass er den Wecker zu früh gestellt hat, denn es ist erst kurz vor sechs. Er sieht uns verzweifelt an und sagt: »Na gut, fahren wir wieder nach Hause.« Wir gehen durch die Dunkelheit, ich halte seine Hand, und er schnauft verärgert. Zu Hause krieche ich in meinen Kleidern noch einmal ins Bett, aber einschlafen kann ich nicht mehr, weil Papa mir so leid tut. Ich stehe auf und gehe zu ihm, er sitzt in der Küche und trinkt Kaffee. »Papa, es wird alles gut«, sage ich, weil ich denke, dass man in einer Situation wie dieser so etwas sagen muss. Sein Gesicht verzieht sich zu einem breiten Lächeln und er sagt: »Natürlich wird alles gut, mein Vögelchen.« Ich lächle auch, denn wenn er mich Vögelchen nennt, wird immer alles gut. Sonntags trifft Papa seine Freunde. Mama ist das überhaupt nicht recht, er kommt dann nämlich manchmal zu spät zum Mittagessen, und manchmal ist er dann auch betrunken. Das erzählen sich Mama und Željkas Mama, denn auch Onkel Schnurre geht zu diesen Treffen. Danach ist er immer guter Dinge, in der Regel kommen Onkel Schnurre und Papa gemeinsam nach Hause und reden Unsinn und erzählen uns Witze. Ich finde das sehr interessant und versuche mir die Witze zu merken, um sie später zum Besten zu geben, was immer alle erheitert. Als Onkel Grgo einmal zu Besuch ist, stelle ich mich auf den Stuhl, fuchtle wild mit dem Arm und schreie, was das Zeug hält: »Ein Albaner wird nie der Chef in meinem Haus sein!« Ich habe keine Ahnung, was das eigentlich bedeutet, genauso wenig wie ein anderer Witz von Papa, den ich nacherzählt habe. »Was ist das: Es hat tausend Zähne und nur zwei Eier? Ein Hai! Und was ist das: Es hat tausend Eier und nur zwei Zähne? Die Verteidigung der Stadt Vukovar!« Alle lachen. Sie können vor Lachen überhaupt nicht mehr an sich halten. Sie sagen: »Mensch, Kleine, du wirst mal Schauspielerin werden!«
    Auf Großmutters Hof ist immer was los. Im Sommer, wenn mein Onkel zu Besuch ist, wird draußen gegessen und getrunken, es werden Pläne geschmiedet, hier findet unser ganzes Leben statt. »Los«, sagt mein Onkel, »stellt euch mal da am Tor auf, wir machen ein Foto!« Erst kommen die Männer dran. Sie stehen in einer Reihe, Opa, Onkel, Papa und mein Bruder. Die Frau meines Onkels drückt auf den Auslöser. Ich sitze auf der Treppe vor dem Haus und schlage mit meinen neuen Tennisschuhen auf den Beton. Niemand hat solche Schuhe, mein Papa hat sie mir aus Deutschland mitgebracht. Die Frau meines Onkels dreht sich schon das dritte Mal nach mir um und schaut mich mit einem kalten Blick an, wahrscheinlich gehe ich ihr mit meinem Fußgeklopfe auf die Nerven und sie kann sich nicht auf die Polaroidkamera konzentrieren. In diesem Sommer sehe ich das zum ersten Mal, ein Foto, das aus dem Apparat herauskommt. Ich würde die Kamera gerne kurz halten, frage aber erst gar nicht, denn ich bezweifle, dass man sie mir geben würde. Die Männer sind noch immer dabei, sich am Zaun zu positionieren, als sich plötzlich Onkels Frau zu mir umdreht und auf Deutsch sagt: »Also bitte!« Ich werde sofort ernst und fühle, wie mein Kinn zu zittern beginnt, ich hasse es, wenn mir das passiert, und es passiert immer, wenn mich jemand anschreit. Mit Blicken versuche ich, Papa auf mich aufmerksam zu machen, der gerade auch Ausschau nach mir hält. »Vögelchen, komm mal her!«, sagt er. Ich habe Angst, dass er mich ausschimpfen und mir eine Predigt halten wird, dann würde ich wirklich weinen müssen, aber er tut nichts dergleichen, zieht mich nur liebevoll an sich und sagt: »Du

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