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Hotel Nirgendwo - Roman

Hotel Nirgendwo - Roman

Titel: Hotel Nirgendwo - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Zsolnay Verlag
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gehört, dass man das so sagt. Man sagt wohl auch, dass jemand gestorben ist, auch wenn er sich das Leben genommen hat. Niemand will zu der Familie von jemandem gehören, der sich umgebracht hat, das verstehe ich, denn es bedeutet, dass es da Unglück gegeben hat, Geheimnisse. Es ist, wie wenn jemand verschwindet, man selbst wird immer ein wenig dafür verantwortlich gemacht. Es muss schön sein zu sterben, eine Krankheit zu bekommen, die man mit lauter Stimme benennen kann, die anderen bemitleiden einen dann ein wenig, aber man stirbt friedlich, denn man weiß, warum man stirbt und wie man sich zu verhalten hat.
    Nach drei Tagen kommt sie wieder in die Schule, alle umarmen sie, man stellt ihr nur einfache Fragen und unterhält sich mit ihr im Flüsterton. Auch ich spreche ihr mein Mitgefühl aus, aber sie sieht mir nicht einmal in die Augen. Sie weiß, dass ich die Wahrheit kenne, und sie hat Angst, dass ich sie den anderen erzählen könnte. In der vierten Stunde ist sie plötzlich weg, rennt aus dem Klassenzimmer, und jeder hat Verständnis. Ich stehe auf, um ihr zu den Toiletten zu folgen. Das wiederum kann niemand verstehen. Ich finde sie weinend vor. Es fühlt sich blöd an, sie jetzt zu umarmen oder etwas Ähnliches zu tun, aber ich will ihr dennoch sagen, dass es auch mir leid tut und wie es mir bei alledem geht, dass ich es niemanden aus der Klasse erzählen werde. Stattdessen spreche ich bei vollem Bewusstsein eine Lüge aus. »Ich weiß, dass es jetzt schwer ist für dich, aber glaube mir, es wird eines Tages vorbeigehen.« Sie ist sichtlich erfreut, das sieht man, und von diesem Tag an hat sich ihr Verhalten mir gegenüber verändert.
    In diesem Moment hatten wir etwas gemein.
     
    *
     
    Wir suchten uns unsere neuen Betten aus, die Küche, den Esszimmertisch, eine Sitzecke und sechs Stühle. Wir kauften auch ein Gemälde mit einem Stillleben drauf. Alles in einem einzigen Geschäft. Auf dem Bild sieht man eine Scheibe Melone, ein paar Äpfel, es ist ein schönes und naives Bild, in hellen Farbtönen. Solche Bilder haben doch die Leute in ihren Wohnungen. Wir konnten nicht alles gleich mitnehmen, man wollte uns die Sachen bald liefern. Wir nahmen nur das Bild und eine Matte mit, die man zu einem Sessel falten und auf der man notfalls übernachten konnte, bis unsere Sachen eintreffen würden. – »Dein Bruder wird dich in der Stadt rauslassen«, sagte Mama, »dann musst du nicht mit dem Bus ins Wohnheim zurückfahren. Wir fahren ins Hotel Zagorje, und morgen gehe ich in die neue Wohnung, um auf die Stühle und den Tisch zu warten.«
    Ich will nicht ins Wohnheim. Ich kann auch auf dem Boden schlafen, das ist überhaupt kein Problem für mich, aber ins Heim will ich nicht mehr zurück. Das wird die letzte Nacht sein. So hatte ich es mir in den Kopf gesetzt, und ich würde mich von niemandem umstimmen lassen. Ich weiß, dass Mama durchdrehen wird, aber was soll sie schon machen, die paar Wochen, die ich mich auf ihre Bitte hin in Geduld üben sollte, kann und will ich mich nicht mehr in Geduld üben. Nicht jetzt, wo wir eine eigene Wohnung haben, wo ich mein eigenes Zimmer habe.
    Ich beschließe, mich aus dem Wohnheim abzumelden. Meine Sachen habe ich schon in zwei Rucksäcke und in eine Plastiktüte gepackt. Ich habe nur Angst, die richtige Station zu verpassen, ich bin nämlich noch nie mit diesem Bus gefahren. Im Wohnheim wissen schon alle, dass ich gehe, mit ein paar Mädchen habe ich mich inzwischen angefreundet, fast könnte ich weinen, weil ich sie verlasse, aber ich verspreche ihnen, dass sie mal bei mir übernachten können. Meine Zimmernachbarin ist Friseurin, sie will jetzt ihr früheres Versprechen einlösen und mir kostenlos die Haare rot färben. Ich denke schon eine Weile darüber nach, mir die Haare rot färben zu lassen. Im Badezimmer haben wir uns zu zehnt versammelt. Irgendjemand hat Trinkbecher hergezaubert, Rotwein und Cola habe ich mitgebracht, jeder wird ein bisschen davon abbekommen, Zigaretten haben wir auch und ein paar Tüten Chips. Die Party hat sich verlagert und findet nun zwischen weißen Fliesen und alten Duschen statt. Ich habe eine Plastiktüte auf dem Kopf, ich habe keine Ahnung, wie Mama reagieren wird, wenn sie mich sieht, aber es ist auch egal, denn morgen beginnt ein neues Leben. Wir lachen und machen Scherze, und dann fließt orangerote Farbe in den Ausguss, ich kann noch nichts sehen, höre aber die erstaunten Ausrufe um mich herum, »Wow, es ist so was von rot«. Ich

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