Hotel Pastis
aus der Sixtinischen Kapelle aufgemalt, das den Finger Gottes zeigte, der auf einen wie aus Stein gemeißelten Spruch deutete: ALBERT WALDIE: DER GEWÜNSCHTE EFFEKT. Der Wagen zog unweigerlich die Aufmerksamkeit auf sich.
Berts neuester Triumph war das Hotelschild. Die sechzig Zentimeter hohen, mit Schatten unterlegten Buchstaben waren in blassem Gelb gehalten, während der Untergrund blaßblau war und von einem dünnen roten Strich eingerahmt wurde. Es sah aus, als ob es fünfzig Jahre den Elementen standgehalten hätte und nun beinahe abblätterte, ein Eindruck, der durch die Splitter und Risse hervorgerufen wurde, die Bert in den letzten beiden Tagen mit großer Akribie angebracht hatte.
»Es ist wunderbar, Bert. Genau das, was wir uns vorgestellt haben, nicht wahr, Ern?«
Ernest nickte begeistert. »Ganz hervorragend, mein lieber Bert. Wissen Sie, ich spiele mit der Idee, auch die Rückseite des Restaurants zu bemalen.«
»Eine Art Wandmalerei?«
»Ja, so etwas Ähnliches. Wann kommen die anderen?« Die drei Mitarbeiter Berts sollten, da die Maurer bald fertig waren, in den nächsten Tagen eintreffen, um ihm bei den Innenarbeiten zu helfen.
Bert zog nachdenklich an seiner Zigarette. »Es sind natürlich Ihre Wände. Ist ja schön und gut, wenn diese Witzbolde sagen, daß sie fertig sind, aber Ihre Wände müssen erst trocknen. Feuchte Wände anstreichen, ohne mich. Nicht, wenn Sie den gewünschten Effekt wollen.«
»Warum sehen wir uns die Sache nicht mal aus der Nähe an?« meinte Simon. »Wir haben alle Fenster offen gelassen und die Heizung ganz aufgedreht. Unten müßten die Wände also schon trocken sein.«
Sie gingen hinein, und Bert blieb vor einem der Fenster stehen. »Schade, daß da die Berge sind, wirklich.«
»Wieso, Bert?«
»Sie verstellen ein bißchen die Aussicht, nicht wahr?«
Françoise stieg langsam die Treppe zu Nicoles Eingangstür hinauf. Sie war ein wenig behindert durch ihren engen Rock und die ungewöhnlich hohen Absätze. Die Schuhe hatte sie in Cavaillon gekauft, als sie sich die Haare für das Gespräch hatte zurechtmachen lassen. Wenn die Sache heute gut lief, war endlich Schluß mit dem Café, Schluß mit dem ewigen Gläserspülen und dem Potätscheln, das die alten Freunde ihres Vaters beim Kartenspielen so liebten. Sie würde jeden Tag Stöckelschuhe tragen und Leute aus Paris und London kennenlernen, und vielleicht kam eines Tages ein junger Mann mit einem roten Ferrari zum Hotel und verliebte sich in sie. Sie sah an ihrer Bluse hinunter, die sie gestern abend so sorgfältig gebügelt hatte, und entschied sich, noch einen Knopf zu schließen, denn schließlich ging sie zu Madame Bouvier. Bon. Sie klopfte an die Tür.
Nicole ließ sie herein und bat sie, in einem Sessel am Kamin Platz zu nehmen. Es war das erste Mal, daß sie Françoise nicht in Jeans oder alten Baumwollröcken und Espadrillos sah, und die Verwandlung war geradezu verblüffend — aus dem kleinen Mädchen vom Lande war eine bemerkenswerte junge Dame geworden. Ein bißchen zuviel Make-up, dachte Nicole, und der Rock war zu eng, aber solche Kleinigkeiten ließen sich ändern.
»Sie sehen sehr hübsch aus, Françoise. Ihre Frisur gefällt mir.«
» Merci, madame .« Françoise überlegte, ob sie die Beine so elegant wie Madame Bouvier übereinanderschlagen sollte, stellte aber fest, daß ihr Rock so schon kurz genug war. Sie schlug die Füße übereinander.
Nicole zündete sich eine Zigarette an. »Sagen Sie mal, was denken denn eigentlich Ihre Eltern darüber? Würden sie es wirklich gern sehen, wenn Sie im Hotel arbeiten? Was ist mit der Arbeit im Café? Wir wollen sie nicht verärgern.«
Françoise zuckte die Achseln und stülpte die volle Unterlippe nach außen. »Meine Cousine würde herkommen. Meine Eltern — naja, sie wissen, daß ich nicht mein ganzes Leben im Café verbringen will.« Sie rückte ein wenig auf dem Sessel nach vorn. »Ich kann übrigens auch tippen. Ich habe einen Kurs besucht, als ich von der Schule ging. Ich könnte die Korrespondenz erledigen, Bestätigungen, Rechnungen, alles.« Nicole blickte in das Gesicht mit den erwartungsvoll aufgerissenen Augen und lächelte. Wenn die Hotelgäste als erstes dieses Gesicht zu sehen bekamen, konnten sie sich nicht beklagen. Jedenfalls nicht die Männer. Sie stand auf. »Kommen Sie mit in die Küche. Ich werde einen Kaffee machen, dabei können wir uns weiter unterhalten.«
Während Françoise ihr folgte, betrachtete sie Nicoles
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