Hotel Pastis
Seidenbluse und den Schnitt ihrer Hose, die so gut saß und nicht diese kleinen häßlichen Falten warf. Madame Bouvier war die schickste Frau, die sie je gesehen hatte. Als sie ihren Rock über den Hüften glattstrich — er stammte vom letzten Jahr und mußte inzwischen geschrumpft sein — , fühlte sie sich entsetzlich. Ihre Mutter verstand einfach nicht, warum man Kleider nicht so lange tragen sollte, bis sie auseinander fielen. Madame Bouvier würde es verstehen. Françoise beschloß, sich von ihr in Sachen Kleidung beraten zu lassen. Falls sie die Stelle bekam.
»Ich könnte auch schon anfangen, bevor das Flotel eröffnet wird. Ich könnte Ihnen helfen.«
Ambrose Crouch, eine Flasche Rotwein neben sich, starrte auf den Bildschirm mit dem Textverarbeitungsprogramm und wurde mit zunehmendem Alkoholgenuß immer mutiger.
Das Hotel war ihm schon beinahe zur Obsession geworden. In ihm verkörperte sich alles, was er öffentlich mit Hohn bedachte, ihn aber insgeheim mit Neid erfüllte — Komfort, Luxus, Geld — , und es erinnerte ihn tagtäglich daran, daß seine eigenen Lebensumstände weit von alledem entfernt waren. Sein Haus war klein und roch den ganzen Winter über modrig. Sein Honorar vom Globe war schon seit zwei Jahren nicht mehr erhöht worden; in England herrschten harte Zeiten, erklärte ihm sein Verleger immer wieder. Fünf Verlage hatten sein Buchprojekt bis jetzt zurückgewiesen, und die amerikanischen Zeitschriften kauften ihm keine Artikel mehr ab, seitdem er einen prominenten und sehr beliebten Amerikaner, der in Lacoste wohnte, kritisiert hatte.
Er schlürfte an seinem Wein und grübelte. An erster Stelle ärgerte es ihn, von diesem millionenschweren Gangster zum Schweigen gezwungen zu werden, diesem Kerl mit seinen verdammten Zigarren und seiner süßen kleinen französischen Geliebten. Er hatte ein paar Nachforschungen über Simon Shaw angestellt und einen langen erbosten Artikel über ihn verfaßt, der allerdings am nächsten Morgen, als sein nüchterner Zustand ihn zu etwas mehr Vorsicht veranlaßte, in der Schublade gelandet war. Doch jetzt meinte er, einen besseren Weg gefunden zu haben.
Ein alter Saufkumpan aus Fleet-Street-Tagen hatte sich bereit erklärt, Crouchs Artikel unter seinem Namen in seiner Zeitung abzudrucken. Er mußte vorsichtig formuliert sein, da zur Zeit die Richter gern wegen Verleumdung auf die Presse einhieben, aber es war besser als gar nichts, und Crouch konnte nichts passieren.
Er füllte das Glas nach und lächelte in sich hinein, als er die Schlagzeile auf dem Bildschirm las: VERGEWALTIGUNG EINES DORFES. Vielleicht konnte er sich selbst zitieren, als ob er von dem Autor des Artikels interviewt worden wäre. Nichts Persönliches, nichts Provozierendes, nur ein leiser Seufzer der Mißbilligung angesichts dahinschwindender Traditionen und der Vergiftung des Dorflebens. Er begann, auf die Tastatur einzuhämmern, und genoß es, aus sicherer Position heraus seine Boshaftigkeiten loszulassen.
Simon sah sich die Rechnungen der Woche an — von Schreinern, Installateuren, Stukkateuren und Elektrikern — und schüttelte den Kopf. Er hätte genausogut Schecks für die italienische Fußballmannschaft unterschreiben können — Roggiero, Biagini, Ziarelli, Coppa — , vermutlich wäre das auch nicht teurer gewesen. Trotzdem, sie hatten gute Arbeit geleistet, schöne Arbeit. Er setzte seine Unterschrift unter die letzte Zahlenreihe mit den vielen Nullen und ging auf die Terrasse hinter dem Haus, wo Nicole um die Mittagszeit bereits ihr erstes Sonnenbad nahm. Es war jetzt Abend, und das Blau des Himmels über den Bergen verwandelte sich in ein zartes Rosa mit einem Stich ins Lavendelfarbene, einen Ton, den Ernest als unbeschreiblich zu bezeichnen pflegte.
Es würde nicht mehr lange dauern, bis die scharfen Konturen der Weinberge unter dem Grün verschwammen, die Kirschblüten herauskamen und die ersten Ostertouristen eintrafen. Unsere zukünftigen Kunden, dachte Simon. Hoffentlich funktionieren die sanitären Anlagen. Er warf noch einen letzten Blick zum Himmel, bevor er wieder hineinging, um etwas zu trinken.
17
I st dort Simon Shaw, der Umweltverbrecher?« — Simon lächelte, als er die Stimme am Telefon erkannte.
Es war Johnny Harris, ehemals Werbetexter der Agentur und jetzt einer der umtriebigsten Klatschkolumnisten Londons. Anders als viele seiner Kollegen von der Sensationspresse konnte man bei ihm sicher sein, daß er keinem den Dolch
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