Hotel Pastis
Magen.
»Sie haben wohl die Flucht vor Ihren Touristenfreunden ergriffen?«
Als er Crouchs Stimme hörte, blickte sich Simon, der an der Bar stand, um, erkannte das bösartige Gesicht und wandte sich wieder seinem Glas zu.
»Was ist los? Sie sprechen wohl nur noch mit reichen Deutschen, was? Fritz den Arsch küssen und sein Geld nehmen?« Crouch trank seinen Wein aus und lachte. »Natürlich haben Sie Übung darin. Ein Werbemensch weiß da Bescheid.«
Simon ging seufzend zu Crouch hinüber, der zu ihm aufsah.
»Ein Besuch vom patrón. Ich fühle mich geehrt.«
»Ich glaube, Sie sind blau. Warum gehen Sie nicht nach Hause?«
»Das Café gehört nicht Ihnen.« Crouch fingerte an seinem leeren Glas herum und lehnte sich zurück. »Oder ist das Ihr neuester Plan? Eine nette kleine Renovierung für die Touristen?«
Simon zögerte einen Augenblick und dachte daran, das Café zu verlassen. Aber der Reiz, die Provokation anzunehmen, gewann die Oberhand. Er setzte sich. »Sie sind doch selbst Tourist. Sie sind nur schon ein bißchen länger hier als die anderen. Sie sind genausowenig ein Einheimischer wie ich, und obendrein sind Sie ein Heuchler — all dieser Mist in Ihrer Kolumne über die Schrecken des Fortschritts; wenn Sie selbst einen Vorteil davon haben, dann genießen Sie doch den Fortschritt.«
»Tatsächlich?«
»Natürlich. Sie haben ein Telefon, Sie haben ein Faxgerät, Sie haben Elektrizität, und ich nehme an, Sie haben auch ein Badezimmer. Ist das etwa kein Fortschritt?«
»Und als was würden Sie die Invasion der Dörfer hier durch Leute bezeichnen, die die Häuser geschmacklos herrichten und sie dann nur zwei Monate im Jahr benutzen?«
»Sie hätten es wohl lieber, wenn man sie verrotten ließe. Sie wissen genausogut wie ich, daß die jungen Leute seit Jahren von hier weggehen, weil sie lieber in der Stadt arbeiten als auf dem Land. Einige von diesen Dörfern wären ohne den Tourismus gar nicht mehr lebensfähig.«
Crouch zeigte sein typisches höhnisches Grinsen. »Das habe ich doch schon mal irgendwo gehört.«
»Es ist zufällig die Wahrheit.«
»Also müssen wir uns mit Golfplätzen und Boutiquen, mit häßlichen kleinen Villen und dem Verkehrskollaps abfinden — ich nehme an, das meinen Sie, wenn Sie sagen, daß die Dörfer vor dem Sterben bewahrt werden, nicht wahr?«
»Der Tourismus ist eine Tatsache. Man kann gut oder schlecht damit umgehen, aber man kann ihn nicht ignorieren und hoffen, daß er eines Tages verschwindet.«
»Ich ignoriere ihn nicht, Mr. Shaw, das wissen Sie sehr gut.« Simon hatte keinen marc mehr, und auch mit seiner Geduld war er am Ende. »Nein, das tun Sie nicht. Statt dessen meckern Sie darüber, und manchmal haben Sie nicht mal den Mumm, Ihren Namen unter ihre eigenen Äußerungen zu setzen.«
Crouch sah ihn mit einem breiten Lächeln an, das sein ganzes verschlagenes, versoffenes Gesicht einnahm. »Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen. Es gibt auch noch andere, die der Meinung sind, daß dieser Tourismus eine sich mehr und mehr ausbreitende Pest ist.«
Simon stieß seinen Stuhl zurück und stand auf. »Und wohin fahren diese anderen in Urlaub? Oder bleiben sie zu Elause und fühlen sich als etwas Besseres?«
Es war ein unerquicklicher Streit, dachte Simon, als er das Café verließ, eine Auseinandersetzung, die er mit jedem anderen weniger unangenehmen Menschen gern weitergeführt hätte, nur nicht mit diesem betrunkenen Journalisten. Er blieb einen Moment lang stehen und betrachtete die blasse blauschwarze Färbung des Himmels. Er mußte zugeben, daß es irgendwie Spaß gemacht hatte. Es war eine kleine Abwechslung von den ständigen Höflichkeiten, die man von einem berufsmäßigen Gastgeber erwartete. Und es hatte ihn nachdenklich gemacht. Der Tourismus war für den größten Teil der Mittelmeerküste ein Alptraum: Menschenmassen drängten sich überall, die Umweltverschmutzung war nicht mehr zu übersehen. Würde er auch die Provence überrollen? Oder hatte man inzwischen dazugelernt? Zweifellos hatte Crouch in manchem recht, auch wenn er ein Snob und ein herablassendes kleines Arschloch war. Simon lächelte im Dunkeln über sich selbst, er drohte vernünftig zu werden.
Boone Parker hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, fast jeden Nachmittag mit dem Fahrrad zum Hotel hinüberzufahren. Er war hin und her gerissen zwischen seinem Interesse, Madame Pons bei der Arbeit in der Küche zuzusehen, und dem immer stärkeren Bedürfnis, die Sprachbarriere zu
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