Hotel Pastis
im Kleingedruckten finden, die sie von jeder Zahlung befreite. Wären derartige Gedanken den sieben Männern im Tresorraum in den Sinn gekommen, sie hätten sich nur um so mehr gefreut, daß sie dem Establishment noch zusätzlich eins ausgewischt hatten.
Und nun konnten sie nichts weiter tun als warten.
Die Männer streckten sich auf dem Boden aus oder schlichen ziellos im Raum herum und wünschten sich, sie könnten wenigstens rauchen. Bachir pfiff unmelodisch, und Claude ließ seine Fingerknöchel knacken. Jojo spürte, daß die anfängliche Heiterkeit gewichen war, und überlegte, wie er sie bei Laune halten könnte. Das war doch die Aufgabe eines Anführers. Moral, genau, Moral war das richtige Wort. Der General sprach immer von Moral.
» Bon «, sagte Jojo, »jetzt haben wir das Zeug, und was machen wir damit?« Die anderen sahen ihn an, und das Pfeifen und Fingerknacken hörte augenblicklich auf. »Ich, ich gehe nach Martinique und mach eine nette kleine Bar am Strand auf. Billiger Rum, kein Winter mehr, Mädchen mit Strohröcken und großen...«
»Tahiti«, unterbrach ihn Fernand, »dort tragen sie Baströcke. Ich habe das auf einem Kalender von der Post gesehen.« Er machte eine Kopfbewegung in Richtung der Brüder Borel. »Da sollten die beiden hingehen, mit ihrem Rasenmäher. He, Borel, wär’ das nichts?«
Der ältere Borel lächelte und schüttelte den Kopf. »Mag keine Inseln. Zuviel Sand, und wenn man mal Schwierigkeiten hat, kommt man nicht so leicht weg. Nein, wir haben uns gedacht, wir sehen uns mal im Senegal um. Guter Boden dort. Man kann dort Trüffeln anbauen, weiße. Dunkel färben, ins Périgord verschiffen, dreitausend Francs das Kilo...«
»Und dann fünf Jahre in den Knast.« Jean verzog das Gesicht. »Ich würde mich an eurer Stelle an Auberginen halten. Warum ein Risiko eingehen?«
Claude streckte den Arm aus und klopfte Jean auf die Brust. »Und was ist mit dem hier, he?«
»Connard. Das hier ist ein Karrieresprung.«
»Bachir?« Jojo wandte sich dem dunkelhäutigen Mann zu, der still in der Ecke saß. »Was ist mit dir?«
Ein breites Lächeln, bei dem eine Reihe weißer Zähne zum Vorschein kam. »Ich werde nach Hause fahren und eine junge Frau kaufen, eine schöne.« Er nickte mehrmals. »Eine dicke junge Frau.«
Während die Stunden vergingen und sie sich ihre Zukunft ausmalten, wurde Jojo klar, daß keiner von ihnen, nicht einmal er selbst, irgendwelche großartigen Ziele hatte. Ein bißchen Geld unter der Matratze, ein leichteres Leben, nichts besonders Aufregendes. Die Hauptsache — das sagten sie alle auf die eine oder andere Weise — war, daß sie unabhängig waren. Keinen Chef mehr haben, sich keine Vorschriften mehr machen lassen, sich nicht mehr herumschubsen lassen. Unabhängigkeit. Da war sie, in Gestalt dieses Stapels auf dem Tisch vor ihnen.
Die Sonntagmorgen brocanteurs waren schon früh an Ort und Stelle und bauten ihre Stände auf, während die höher steigende Sonne den Nebel vertrieb, der vom Fluß aufstieg. Gähnende Kellner mit trübem Blick, die nach dem gestrigen langen Tag nur ein paar Stunden geschlafen hatten, stellten Tische und Stühle vor den Cafés auf, holten die Papiersäcke mit Brot und Croissants von den boulangeries herein und erhofften sich Trinkgelder in Rekordhöhe. Die Losverkäufer stellten sich in den Cafés auf und bestellten die erste Tasse tödlich starken schwarzen Kaffees, von dem sie im Laufe des Tages noch ein halbes Dutzend zu sich nehmen würden. Lieferwagen mit flachen Frontschnauzen drängten sich mit ihrer Ladung Pizza, charcuterie, Käse oder Fisch durch die engen Straßen, die zur Haupt place führten, und die Zigeunermädchen mit ihren Zitronen und rosafarbenen Knoblauchzwiebeln keiften sich im Streit um die besten Plätze an den Straßenecken gegenseitig an. Isle-sur-Sorgue bereitete sich langsam auf einen weiteren heißen und gewinnträchtigen Markttag vor.
Die ersten Touristen, an Schlaflosigkeit Leidenden und Schnäppchenjäger tauchten bereits kurz nach acht auf und durchwühlten die Relikte aus den Haushalten anderer Leute — alte Bücher und Bilder, altersblinde Gläser, Tische und Stühle mit ungleichen Beinen und durchgesessenen Sitzflächen aus Peddigrohr, militärische Orden aus längst vergessenen Kriegen, Spiegel und Bettwäsche, Vasen und Hüte, Plunder von Tausenden von Dachböden. Die Händler auf der anderen Seite der Straße hingegen — die antiquaires mit ihren Louis-quinze-, Napoléon III-
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