Hotel Pastis
und Art-nouveau-Möbeln und ihren düsteren, imposanten Gemälden — ließen sich Zeit und saßen noch bei ihrem Frühstück. Ihre Kunden würden erst später kommen und die Straße mit ihren dicken Autos versperren, während sie im Hinterzimmer mit Fünfhundert-Francs-Scheinen bezahlten.
Jojo reckte sich und sah auf die Uhr. Der General hatte gesagt, halb zwölf, wenn der Verkehr zum Erliegen gekommen war. Noch zwei Stunden. Er saß auf dem Boden und lehnte sich an die Wand. Ein oder zwei von den anderen dösten; der Rest starrte mit leerem Blick in den Raum. Die Witze und Gesprächsthemen waren ihnen ausgegangen. Das Adrenalin war verbraucht, und nun machte sich Ungeduld breit — und diese schleichenden Zweifel, die nicht weichen wollten. Würden sie die Tür auch sauber aufsprengen können? Würden die Fahrräder da sein? Diese Warterei war einfach zum Kotzen.
Der General gab seine Versöhnungsversuche gegen zehn Uhr auf. Mathilde wollte nicht aufstehen, wollte nicht zu ihrer Schwester nach Orange fahren, wollte nicht einmal mit ihm sprechen. Er konnte genausogut draußen in der Scheune sitzen, da spürte er dann wenigstens nicht den Vorwurf, der aus ihrer stummen Gegenwart sprach. Als er ihre Schulter tätschelte, zuckte sie zurück, und er beschloß, sich nicht von ihr zu verabschieden.
Er saß ein paar Minuten lang im Auto und zupfte an seinem Schnauzbart. Sicherlich horchte sie jetzt auf das Motorengeräusch und fragte sich, ob sie ihn wohl im Gefängnis wiedersehen würde. Die Sonne wurde von dem weißen Kies des Parkplatzes reflektiert und stach ihm in die Augen. Er dachte an einen Tisch im Schatten und an ein schönes kühles Bier. Mathilde würde sich schon wieder beruhigen. Das hatte sie immer getan. Er drehte den Schlüssel im Zündschloß um und sah auf die Uhr. Nicht mehr lange.
Die beiden Zigeunerjungen hatten einen mageren Tag hinter sich. Normalerweise gab es an Markttagen immer Handtaschen oder Fotoapparate, die ein paar Sekunden zu lange auf einem Cafetisch oder dem Stand eines brocanteur liegen blieben und die man sich schnappen konnte, während der Besitzer oder die Besitzerin in die andere Richtung blickte. Heute jedoch waren die Touristen nicht sehr entgegenkommend gewesen, alle hatten ihre Besitztümer mit beiden Händen festgehalten. Und viele von ihnen trugen mittlerweile diese großen Känguruhbeutel um die Hüften, was bedeutete, daß man ein Messer benutzen mußte. Es wurde immer schwieriger, ein unehrliches Leben zu führen.
Die Jungen streunten auf dem Gelände hinter der Bank herum und probierten die Türen der parkenden Autos durch. Plötzlich sahen sie die Fahrräder, die nebeneinander am Geländer festgemacht waren. Teure Räder wie diese, noch dazu in so gutem Zustand, konnte man leicht verkaufen. Selbst der alte Gauner in Cavaillon, der ihnen kaum ein paar Francs für die Kameras gab, die sie ihm gelegentlich brachten, wäre bestimmt an ein paar Rennrädern interessiert. Die Jungen schlichen sich unauffällig näher heran, um die schwere Kette und das Vorhängeschloß zu begutachten. Ein großes Schloß, gewiß, aber nicht schwierig. Ihr Vater hatte ihnen beigebracht, wie man mit solchen Schlössern fertig wurde. In der Erwartung, daß ihr Glück sich endlich wenden würde, rannten sie los, um ihn am anderen Ende des Marktes zu suchen, wo er lebende, in der Nacht zuvor gestohlene Hühner verkaufte. Er trug immer so ein kleines Werkzeug mit sich in der Hosentasche herum, mit dem man solche Schlösser knacken konnte.
»Okay«, sagte Jojo, »es ist Zeit.«
Sie teilten den Haufen auf dem Tisch in sieben Teile, füllten die weiten, tiefen Taschen ihrer Trikots, bis sie sich beulten, und stopften die großen Banknoten vorn in ihre Hosen, so daß es aussah, als hätten sie abnorme Oberschenkelmuskeln. Fernand wischte seinen Hammer und das übrige Werkzeug noch einmal sorgfältig ab, bevor er sie durch die Öffnung im Boden in den Kanal warf. Die alten Kleider, die sie getragen hätten, wurden über die Sprengladungen an der Tür gehängt, damit sie bei der Explosion mit in die Luft gingen.
Außer dem Stoß Polaroidfotos lag jetzt nichts mehr auf dem Tisch. Fernand bestand darauf, sie zu einer exposition érotique zu arrangieren und heftete sie mit dem letzten Stück Klebeband an die hintere Wand — mit Ambrose Crouch in seinen schwarzen, Falten werfenden Socken in der Mitte. Es wäre doch schade, meinte Fernand, wenn diese Fotos zerstört würden, da sie doch
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