Hotel Pastis
Einen besser aussehenden Chauffeur hätte er sich kaum erhoffen können.
»Ich beanspruche schon viel zuviel von Ihrer Zeit. Aber wenn Sie nicht zu sehr beschäftigt sind, würde ich Sie gern zum Mittagessen einladen. Wenn Sie nicht wären, würde ich jetzt daraufwarten, daß Duclos’ Freund mich in seinem Sanitätswagen mitnimmt.«
» Ouf. Dieser kleine Räuber. Die teuerste Werkstatt in der ganzen Provence. Hier lächeln sie alle, verstehen Sie, und dann haben sie plötzlich eine Hand in Ihrer Tasche stecken. Nicht alle sind nämlich ehrlich.«
»Unehrliche Leute gibt es überall. Aber wenigstens lächeln sie hier.«
Madame Bouvier drosselte die Geschwindigkeit, da sie sich einer Kreuzung näherten. GORDES 4 Kilometer. Sie bog nach rechts auf eine breitere Asphaltstraße ab und sah auf das goldene Medaillon an ihrem Handgelenk. »Das Mittagessen nehme ich gerne an. Danke.«
Sie fuhren den Berg Richtung Gordes hinauf und bogen kurz vor dem Dorf bei einem Hinweisschild zur Abtei von Senanque nach links ab. Hier war alles voller Hinweisschilder, und das Dorf sah aus, als ob es für eine Ansichtskarte posierte — schön, aber ein wenig zu vollkommen. Simon zog das weniger aufgeputzte Brassière-les-Deux-Églises vor.
Sie fuhren durch das Tor in der hohen Trockensteinmauer, die die Domaine de l’Enclos vom Rest der Welt abschirmte. Simon fühlte sich plötzlich schmuddelig. Das hier war nicht das einfache kleine Landhotel, das er sich vorgestellt hatte; das Grundstück war makellos, die Bäume sorgfältig geschnitten, und die kleinen Steinhäuser standen weit voneinander und vom Hauptgebäude, dem Hotel, entfernt. Er kam sich vor, als wäre er in Bel Air und nicht auf dem Land.
Madame Bouvier bog auf den schattigen Parkplatz und stellte den Wagen zwischen einem Mercedes mit Schweizer Kennzeichen und einem Jaguar aus Großbritannien ab. » Voilà. Ich denke, hier werden Sie sich wohler fühlen als im Café.«
»Ich bin erstaunt, daß es ein Hotel wie dieses überhaupt gibt.« Sie gingen zwischen den Bäumen hindurch zum Eingang. »Läuft es gut? Woher bekommen sie ihre Gäste?«
»Es wird Sie überraschen. Die Leute kommen aus dem Norden, aus ganz Europa, ja sogar manchmal aus Amerika. Und die Saison ist lang, sie dauert von Ostern bis Weihnachten. Nächstes Mal müssen Sie mit Ihrem Helikopter kommen.« Sie deutete durch eine Lücke zwischen den Bäumen. »Dort drüben gibt es eine piste .«
Das nächste Mal, dachte Simon, sollte ich mich rasieren, bevor ich hierherkomme, und wenigstens zum Schein einen Koffer mitbringen. Das war einfach keine Art, in einem Edelhotel einzutreffen.
Doch das Mädchen am Empfangstisch lächelte und sagte, ja, er könne für eine Woche ein Häuschen haben, und ja, auf der Terrasse sei ein Tisch zum Mittagessen frei.
Simon entspannte sich und bekam allmählich Hunger. »Ein gutes Hotel entscheidet im Zweifelsfall immer für den Kunden«, meinte er.
Madame Bouvier runzelte die Stirn. »Im Zweifelsfall? Was meinen Sie damit?«
»Nun, sehen Sie mich doch an.« Er rieb sich das Kinn. »Unrasiert und ohne Gepäck komme ich hier mit Ihnen an...«
»Was würde man in England machen?«
»Oh, einen von oben herab ansehen, wahrscheinlich verlangen, daß ich Jackett und Schlips trage und mich insgesamt unwohl fühle.«
Madame Bouvier schnaubte ein wenig verächtlich. »Hier ist man nicht so formell. Niemand trägt eine Krawatte.« Sie blickte Simon an und lächelte. »Allerdings rasiert man sich hier ab und zu. Kommen Sie.« Sie führte ihn nach draußen auf die Terrasse.
Während sie aßen und dabei die weite Aussicht auf den im Süden liegenden Lubéron genossen, wich die Förmlichkeit einer ungezwungenen Atmosphäre. Beim Hauptgericht waren sie bereits Nicole und Simon, und als die zweite Flasche frischen Rosés kam, begannen sie, sich gegenseitig von ihrer Scheidung zu erzählen. Simon fand ihre Gesellschaft angenehm und unterhaltsam, und als er ihr Feuer gab und sie seine Hand berührte, spürte er für einen kurzen Augenblick ein Aufflackern von Begierde. Das mußte aufhören; schließlich bezahlte er immer noch für das letzte Aufflackern. Er bestellte Kaffee und lenkte das Gespräch in sicherere Gefilde.
»Dieses große Anwesen in Brassière, das gerade restauriert wird. Was wird das?«
Nicole tauchte ein, Zuckerstück in ihren Kaffee und biß dann hinein. »Die alte gendarmerie ? Das Haus steht seit fünf Jahren leer, als sie eine neue gendarmerie unten an der N100
Weitere Kostenlose Bücher