Hotel Transylvania
Montalia
4
Hercule hatte sich unbeholfen auf Krücken gestützt und versuchte nun, die Beine von Saint-Germains ältestem Kutschpferd abzubürsten. Während der Arbeit fluchte er über sich selbst, aber seine Hände waren sicher, und er wollte seinen Zorn nicht an das Pferd weitergeben.
»Er weiß es dennoch«, sagte die leise klangvolle Stimme aus den Schatten.
Hercule sah so rasch auf, dass er das Gleichgewicht verlor und gefallen wäre, hätte Saint-Germain ihn nicht rasch abgefangen. »Seid verdammt!«
»Wenn du darauf bestehst«, sagte Saint-Germain ohne Erregung. Er trat zurück und wartete.
»Es ... es tut mir Leid. Ich hätte nicht so zu Euch sprechen sollen«, sagte Hercule. Er wagte es nicht, in die dunklen Augen seines neues Arbeitgebers zu sehen.
»Aber die Verletzung macht dich gereizt«, setzte Saint-Germain mit großem Verständnis den Gedanken fort. »Du brauchst dich nicht zu entschuldigen.«
»Ihr seid hier der Herr.« Als er das sagte, dachte er wieder an das hochmütige Lächeln auf Saint Sebastiens Gesicht, als er den langen Stock zum Schlag erhob. Die Erinnerung ließ ihn zusammenzucken.
»Hast du Angst? Vor mir?« Die letzten Worte erklangen so leise, dass Hercule nicht sicher war, sie wirklich gehört zu haben.
»Ich glaube nicht«, gab Hercule Stirn runzelnd zur Antwort. Mühsam entfernte er sich aus dem Stall. »Der Hufschmied wird sich alsbald um sie kümmern müssen.«
»Es wird geschehen«, sagte Saint-Germain und musterte den Kutscher. »Vermisst du es?«
»Das Fahren?«, sagte Hercule, und der Kummer erstickte seine Stimme. Er zwinkerte, als er die Stallungen überblickte. »Ja. Ich vermisse es, wie ich meine sämtlichen Zähne vermissen würde.«
»Vielleicht kann da etwas getan werden«, meinte Saint-Germain mit gleichmütiger, fast uninteressierter Stimme.
»Man kann nichts tun«, sagte Hercule in aufwallender Wut. »Er hat mich vernichtet. Er hätte mich ebenso gut mit der Kutsche überfahren können. Aber das«, fuhr er weniger zornig, aber umso unerbittlicher fort, »wäre zu einfach gewesen. Es wäre vorbei gewesen, und das hatte Baron Clotaire de Saint Sebastien nicht gefallen. Er und seine kostbare alte Vidamie. Dass so einer überhaupt irgendetwas von der Kirche bekommt!«
»Hercule«, warf Saint-Germain ein, aber der Kutscher wollte sich nicht besänftigen lassen.
»Das ist ein Ungeheuer. Allen, die in seine Nähe kommen, fügt er nur Erniedrigung und Pein zu, und niemand kann ihm etwas anhaben.«
Saint-Germain legte eine kleine behandschuhte Hand auf Hercules Schulter.
»Nimm an, mein Freund, nimm einmal an, dass es eine Möglichkeit gibt. Nimm an, dass ich dir die Möglichkeit anbiete, Saint Sebastien einen Strich durch seine Rechnung zu machen. Würdest du das tun?«
»Saint Sebastien einen Strich durch die Rechnung machen?«, wiederholte Hercule, dem bei diesem Gedanken nachgerade die Luft wegblieb. »Wie?«
Saint-Germain gab ihm nicht sofort Antwort. »Wenn du Hilfe hättest, könntest du dann eine Kutsche fahren?«
»Auch ohne Hilfe könnte ich fahren, wenn ich nur auf den Bock käme. Mon Dieu, für das Fahren brauche ich meine Beine nicht, ich brauche meine Hände, meine Arme, und sie sind stark genug. Aber ich bin wie ein Wurm, und ich kann den Bock nicht ersteigen.« Seine nutzlosen Beine bebten wie im Mitgefühl zu seinem Elend. »Ich habe es versucht, immer wieder versucht, aber sie halten nicht stand, und ... was nützt es denn?«
»Du wirst Hilfe beim Ersteigen des Bockes bekommen«, sagte Saint-Germain gelassen. »Du wirst ein Gespann zum Fahren erhalten, und wenn es so weit ist, darfst du nicht verzagen, denn wenn du verzagst, wird nichts zwischen dir und der tollwütigen Meute stehen, die Saint Sebastien folgt.«
»Was sagt Ihr da?«, fragte Hercule. Eine Kälte überkam ihm, die aus Entschlossenheit und Angst bestand.
»Saint Sebastien ist hinter jemandem her. Er glaubt, dass er sie in seiner Gewalt hat, dass die Frau keine Verbündeten hat, weil ihr Gatte zu den Kreaturen gehört, die mit Saint Sebastien die Riten vollführen. Darin irrt er sich.« Der letzte Satz klang so leise, jedoch so unnachgiebig, dass Hercule beinahe zu glauben begann, dass Saint-Germain die Mittel besaß, sich Saint Sebastien erfolgreich entgegenzustellen.
»Aber ...« Hercule wollte auf und ab laufen, doch die Krücken
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