Hotel Transylvania
und an seiner Weste ergänzte die feine silberne Spitze und verlieh dem Rubin an seinem Hals einen warmen Schimmer, der an Wein gemahnte.
»Die ganze Welt, Comte.« Nicht einmal durch unwillkürlichen Respekt in der Stimme verriet er seinen Arbeitgeber. »Wenn sie nicht zum Souper gegangen ist, findet Ihr la Comtesse d'Argenlac im Ballsaal, glaube ich.«
»Ich verstehe.« Saint-Germains Blick war auf den prachtvollen Velàzquez gerichtet, der auf der anderen Seite des großen Saales hing. Mit erhobener Stimme sagte er: »Glaubst du, dass der Eigentümer des Hotel davon überzeugt werden kann, sich von jenem Gemälde zu trennen?«
»Das bezweifle ich, Comte«, erwiderte Hercule mit vollendeter Höflichkeit.
»Ich würde eine große Summe für jenes Werk bezahlen«, fuhr Saint-Germain fort und dachte dabei, dass er das auch getan hatte. »Nun gut, du magst deinem Herren, wer immer das auch sei, bestellen, dass ich eine große Liebe für Velàzquez hege.«
De la Sept-Nuit kam in diesem Augenblick zufällig vorbei und grinste. »Gebt Ihr wieder ein Gebot für das Gemälde ab, Comte?«
Saint-Germain tat überrascht und sah auf. »Oh, ich habe Euch nicht gesehen, Donatien. Ja, erneut versuche ich es, und erneut ist es vergeblich.«
»Wenn Ihr Euer entschlossenes Interesse weiter verfolgt, werden wir auf Eure Aussichten Wetten abschließen.« Zur Bestätigung wandte er sich an seinen Begleiter, aber Baron Beauvrai beachtete diese Unterhaltung nicht.
Selbst nach seinen extravaganten Maßstäben war Beauvrai an diesem Abend auffällig gekleidet. Er trug seine ausgefallenste Perücke, die mit feinem blauem Puder bestäubt und an seinem Nacken mit einer großen Satinschleife befestigt war, auf der Goldsterne funkelten. Rock und Beinkleider waren aus jonquillenheller Seide, und die breiten weinroten Revers und Aufschläge kontrastierten nicht gerade vorteilhaft. Eine strohfarbene Weste aus peau de soie war mit türkisfarbenem Garn bestickt und sollte zweifellos seine türkisfarbenen Strümpfe und seine goldenen Schuhe ergänzen. Diese Zusammenstellung hatte er mit hellblauer Spitze an Hals und Handgelenken vervollständigt und sich zudem mit Veilchenduft getränkt.
Saint-Germain betrachtete Beauvrai in Schweigen, das er mit einem kurzen Aufseufzen beendete. »Wie stets, Beauvrai, fehlen mir bei Eurem Anblick die Worte.«
Beauvrai durchbohrte ihn mit einem kurzen Blick, der Saint-Germains nüchterne Kleidung umfasste. »Ich sehe lieber wie ein Mann denn wie ein Priester aus«, sagte er in einem Ton, der offenbar vernichtende Verachtung ausdrücken sollte. »Nach allem, was ich über Euch höre, habt Ihr ebenso wenig Anspruch auf Männlichkeit wie auf Euren Titel.«
Mit einem entwaffnenden Lächeln neigte Saint-Germain den Kopf. »Mon Baron, wenn ein Mann zu sein bedeutet, Euch nachzueifern, dann, fürchte ich, muss ich Euch stets enttäuschen.« Schon wollte er sich umdrehen und den wutschnaubenden Beauvrai stehen lassen, aber eine zufällig aufgeschnappte Bemerkung von de la Sept-Nuit erregte seine Aufmerksamkeit, und er hielt inne.
»Wenn Ihr bei Chaisseurdor seid, werdet Ihr dann einen Abend mit unserer Gruppe auf Sans Désespoir verbringen?«, fragte de la Sept-Nuit Beauvrai in dem Bestreben, seine Aufmerksamkeit von Saint-Germain abzulenken.
»Was? Chaisseurdor? Oh, ach ja. Das werde ich wohl, nehme ich an. Ich werde dort eine Woche verbringen. Für eine Nacht wird mich Chaisseurdor nicht vermissen.« Betont ignorierte er Saint-Germain.
»Bringt ihn doch mit«, schlug de la Sept-Nuit ihm vor und wollte Beauvrai zu den Spielsalons drängen.
»Es ist bloß so, dass er d'Argenlac nicht leiden kann. Vor zehn Jahren
gerieten sie über das Revier in Streit, und seitdem ist die Sache noch nicht bereinigt worden. Ziemlich blöde von den beiden, wenn Ihr mich fragt. Macht Euch keine Sorgen, Donatien. Ich nehme mir die Zeit, um Sans Désespoir zu besuchen. Ich will doch sehen, wie Ihr La Montalia ordentlich hernehmt.«
»Das werde ich schon, macht Euch deshalb nur keine Sorgen.« Er schlug Beauvrai auf die Schulter, sie zwinkerten sich verschwörerisch zu und begaben sich in den Nordflügel des Hotels.
Ganze zwei Minuten blieb Saint-Germain im Großen Saal stehen. In seinem Blick stand ein leerer Ausdruck, der nichts über die Gedanken verriet, die durch seinen Kopf rasten. Über das Parkett wanderte er zum Velàzquez und hielt nur einmal kurz inne, um eine Gruppe von Spätankömmlingen zu
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