Hotel Transylvania
würde.
Die Heilige Jungfrau, die unsere Hilfe und Fürbitterin bei der Majestät Gottes ist, wird Euch freundlich ansehen und Euch in Ihrer Gnade halten für diese Rettung meiner Schwester aus dem Schlund der Hölle. Stets werdet ihr in meinen Gebeten sein, denn obwohl ich Euren Namen nicht kenne, so liest unser aller Gott
in unseren Herzen und sieht Euch liebevoll an unter Seinen Kindern.
Ich darf diesen Brief nicht zu lang werden lassen, denn ich wünsche ihn dem Arzt Schoenbrun mitzugeben, der in dieser Stunde nach Paris zurückkehren wird. Ich habe das Versprechen dieses guten Mannes, sollte ich Euch erreichen müssen, so werde Euch ein Brief an ihn zu finden wissen. Ich werde mir die Freiheit nehmen, Euch von Zeit zu Zeit von Luciennes Fortschritten zu berichten, so dass Ihr gewisslich von ihrer Erholung und Errettung erfahrt.
Aus der Tiefe meines Herzens und mit dem Segen und der Dankbarkeit meiner Seele in dieser und der nächsten Welt, und in gläubiger Dankbarkeit
bin ich Euch im Geiste tief ergeben
Dominique de la Tristesse de les Anges
Äbtissin im Konvent de la Misericorde
et la Justice de le Rédempteur
2
Der Regen war stetig schon mehr als zwei Stunden gefallen, als die Kutsche endlich vor dem Seiteneingang des Hotel d'Argenlac zum Stehen kam. Die Pferde dampften, und die Räder und die Wappenpaneele an der Seite der Kutsche waren dick mit Straßenschlamm bedeckt.
Ein Ruf des Kutschers rief rennende Lakaien aus dem Hotel herbei, und wenige Augenblicke später wurden Laternen herangebracht, welche die nasse, stürmische Nacht erhellten.
Der Verschlag der Kutsche öffnete sich, und die Stufen wurden für einen gesetzten Diener in mittleren Jahren und einer grünen Livree heruntergelassen. In einer Hand hielt er einen langen Gehstock für den Mann bereit, der nach ihm aussteigen würde.
»Danke, Eustache«, sagte der Besitzer der Kutsche, als er dem schwerfälligen Fahrzeug entstieg. Das Licht enthüllte ihn als einen Mann, der die Lebensmitte kaum überschritten zu haben schien. Sein ungepudertes Haar war stahlgrau, obgleich es einst tief dunkelbraun gewesen war. Er war etwas hoch gewachsener als mittelgroß und erstaunlich schlank; sein zerfurchtes, düsteres Gesicht gehörte einem Mann, der oft zur Buße für seine Sünden fastete. Er trug gut gefertigte, aber triste und recht altmodische Kleidung. Für sein Halstuch war ihm einfacher Musselin genug, und an seinen Aufschlägen fand sich keine Spitze. Seine Schuhe waren zweckdienlich mit kaum einer Erhöhung der Ferse. Er richtete abschätzende Augen auf die Tür, und man sah dass sie hellblau waren, fast wie Eis. Er richtete das Wort an einen Lakaien. »Seid so gut und unterrichtet la Comtesse davon, dass ihr Bruder eingetroffen ist.«
Der ranghohe Lakai verneigte sich, ging ihm ins Haus voran, ordnete an, dass das Gepäck des Marquis de Montalia auf sein Zimmer gebracht werden solle, und hielt einladend die Tür auf.
Die Ankunft der Kutsche war offenbar vor der Ankündigung des Lakaien bemerkt worden, denn Madelaine kam durch die Diele herbeigelaufen, und ihr hellrosiges Kleid blähte sich um sie auf. »Vater! Vater, willkommen!« Sie warf sich in seine Arme, als er die Schwelle überschritt, und jauchzte vor Freude. »Oh, wie sehr habe ich Euch vermisst!«
Le Marquis de Montalia erwiderte die Umarmung seiner Tochter und hielt sie dann auf Armeslänge von sich. »Madelaine, ich habe dich vermisst. Aber sieh dich nur an, mein Kind. So modisch gekleidet. Und so schmuck. Ich denke, ich hätte dich wohl nicht wieder erkannt.«
»Sagt das nicht«, sagte Madelaine rasch und schob ihre Hand in seine Armbeuge. »Ihr würdet mich doch immer erkennen, Vater, nicht wahr?«
Er setzte ein trauriges Lächeln auf. »Natürlich würde ich das. Ich wollte dich nicht ängstigen, mein Schatz. Ich wollte dir nur sagen, wie gut du aussiehst. Ich muss schon sagen, ich schickte ein Kind hierher, und nun steht eine Frau vor mir.
Das ist wohl das Schicksal eines jeden Vaters, vermute ich.«
An seiner Seite ging sie über den Flur, lächelte ihn an und hielt sich selbstbewusst an seinem Arm fest. »Wir waren gerade beim Souper, und ich weiß, dass Ihr mit uns essen wollt. Der oberste Koch meiner Tante ist süperb, Vater. Er bereitet ein Kalbfleisch, das Euch in Staunen versetzen
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