House of Night 7. Verbrannt
Rae war klar, dass sie immer noch eine Prägung mit Rephaim hatte – das war unmöglich zu vergessen –, aber in diesem Augenblick, an Dallas’ schlüpfrigen, verschwitzten Oberkörper geschmiegt, glatt und menschlich und real, schien er weit weg zu sein. Es war fast, als entfernte er sich von ihr … ließe sie gehen …
Dallas’ warmer Atem flüsterte etwas gegen ihr Ohr. »Wenn du willst, kannst du mich gern beißen. Wirklich. Kein Problem. Ich will’s.«
Er lag auf ihr, aber jetzt verlagerte er sich, bis seine Halsbeuge genau über ihren Lippen lag. Sie küsste seine Haut und spürte mit der Zunge seinem Geschmack und dem uralten Rhythmus seines Pulses nach. Dann vertauschte sie die Zunge mit ihrem Fingernagel, strich damit sanft über die Stelle, auf der Suche nach dem optimalen Punkt für den Schnitt. Dallas stöhnte in der Erwartung leise auf. Genau so sollte es mit einem vampyrischen Gemahl sein: Sie konnte ihm Genuss bereiten und von ihm im Gegenzug etwas geschenkt bekommen. So war es gedacht. Es würde schnell und einfach gehen und sich total gut anfühlen.
Wenn ich von ihm trinke, wird meine Prägung zu Rephaim brechen.
Der Gedanke ließ sie zögern. Den scharfen Fingernagel gegen Dallas’ Hals gepresst, hielt sie inne.
Nein. Eine Hohepriesterin kann gleichzeitig einen Gefährten und einen Gemahl haben
, sagte sie sich.
Aber das traf nicht zu – zumindest nicht auf Stevie Rae. Im tiefsten Grunde ihres Herzens wusste sie, dass ihre Prägung mit Rephaim etwas Einmaliges war. Sie folgte nicht den Regeln, die normalerweise für Vampyre und ihre Gefährten galten. Sie war stark – unglaublich stark. Und vielleicht lag es an dieser ungewöhnlichen Stärke, dass sie sich nicht zugleich an einen Zweiten binden konnte.
Wenn ich von Dallas trinke, wird meine Prägung zu Rephaim brechen.
Das wusste sie mit eiskalter Gewissheit.
Und was war dann mit dem Preis, den sie zu zahlen bereit war? Konnte sie weiter an Rephaims Menschlichkeit gebunden bleiben, ohne auf ihn geprägt zu sein?
Die Frage sollte nie beantwortet werden. Denn in diesem Moment ertönte hinter ihnen, wie von ihren Überlegungen herbeigerufen, Rephaims Stimme: »Tu uns das nicht an, Stevie Rae!«
Rephaim
E r spürte ihren Zorn und fragte sich, ob der sich auf ihn richtete. Mit voller Absicht konzentrierte er sich auf Stevie Rae, ließ das Blutsband zwischen ihnen an Kraft gewinnen. Noch mehr Zorn. Er pulsierte durch ihr Band, und seine Intensität erstaunte Rephaim, obgleich er spürte, dass sie sich bemühte, ihn im Zaum zu halten.
Nein, ihre Wut richtete sich nicht auf ihn. Es war jemand anders, der sie in Rage versetzt hatte – jemand anders, auf den ihre Aggression zielte.
Er bedauerte den armen Narren. Wäre er ein geringeres Wesen gewesen, er hätte sardonisch gelacht und dem unseligen Kerl viel Glück gewünscht.
Es war Zeit, dass er sich Stevie Rae aus dem Kopf schlug.
Weiter flog Rephaim nach Osten, kostete die Nacht unter seinen Schwingen aus, genoss mit allen Sinnen seine Freiheit.
Er brauchte sie nicht mehr. Er war gesund und stark. Er war wieder er selbst.
Nein, er brauchte die Rote nicht. Sie war lediglich das Mittel zu seiner Rettung gewesen. Wahrlich, ihre Reaktion darauf, dass er genesen war, bewies, dass das Band zwischen ihnen dringend gekappt werden musste.
Der Gedanke lastete unerwartet schwer auf ihm, und er verlangsamte und ließ sich auf einen sanften, von vereinzelten Sumpfeichen geschmückten Hügel nieder. Von hier aus blickte er zurück in die Richtung, aus der er gekommen war und …
Warum hat sie mich zurückgewiesen?
Hatte er ihr Angst gemacht? Das schien kaum möglich. Sie hatte ihn schon bei voller Gesundheit erlebt, als er zu ihr in den Kreis gekommen war. Er war gänzlich geheilt gewesen, als er der Finsternis die Stirn geboten hatte.
Ihretwegen hatte er der Finsternis die Stirn geboten!
Gedankenverloren rieb sich Rephaim die Stelle am Rücken, wo seine Schwingen angewachsen waren. Seine Haut fühlte sich glatt und weich an; keine physische Narbe war zurückgeblieben. Stevie Raes Heilung hatte jede Spur des Zorns der Finsternis getilgt.
Und dann hatte sie sich von ihm abgewandt, als sähe sie plötzlich nur noch das Monster in ihm, nicht mehr den Menschen.
Aber ich bin kein Mensch!
, tobte es in ihm.
Sie hat immer gewusst, was ich bin! Warum hat sie sich dann so unerwartet von mir abgewendet, nach allem, was wir gemeinsam durchgemacht haben?
Er verstand es einfach nicht. Sie
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