House of Night 7. Verbrannt
hatte nach ihm gerufen, als sie in Todesangst war –
als sie vor Angst nicht mehr denken konnte. Da hatte sie nach ihm gerufen
.
Und er war gekommen und hatte sie gerettet.
Und ich habe sie als die Meine beansprucht.
Und dann, nicht lange darauf, war sie weinend vor ihm geflohen. Ja, er hatte ihre Tränen gesehen, wusste aber nicht, was sie ausgelöst hatte.
Mit einem frustrierten Schrei warf er die Hände in die Luft, als könnte er sich damit von jeglichem Gedanken an sie befreien, und der Mond tauchte seine Hände in ein sanftes Licht. Rephaim hielt in der Bewegung inne. Er streckte die Arme vor sich aus und betrachtete sie wie zum ersten Mal. Seine Arme waren die eines Menschen. Sie hatte seine Hände gehalten. Er hatte sie sogar auf den Armen getragen, wenn auch nur kurz, damals, als sie auf dem Dach knapp der Verbrennung entkommen war. Seine Haut war nicht anders als die ihre. Vielleicht etwas dunkler, aber nicht viel. Und seine Arme waren kräftig … wohlgeformt …
Bei allen Göttern, was war los mit ihm? Was spielte es für eine Rolle, wie seine Arme aussahen? Sie würde niemals wirklich die Seine sein. Wie konnte er nur auf eine solche Idee kommen? Es war jenseits alles Möglichen – jenseits seiner wildesten Träume.
Ungebeten hallten ihm die Worte der Finsternis durch den Kopf.
Du bist deines Vaters Sohn. Wie er hast du dich entschlossen, ein Geschöpf zu verehren, das dir niemals geben kann, was du am dringendsten ersehnst.
»Vater hat Nyx verehrt«, sprach Rephaim in die Nacht hinaus. »Sie hat ihn zurückgewiesen. Nun habe auch ich jemanden verehrt, die mich zurückwies.«
Er stieß sich ab und stieg wieder in den Himmel auf. Mit wilden Flügelschlägen strebte er nach oben, nur nach oben. Er wollte den Mond berühren – diese Sichel aus Licht, Symbol der Göttin, die seines Vaters Herz gebrochen und die Ereignisse in Gang gesetzt hatte, die zu seiner eigenen Erschaffung geführt hatten. Wenn er den Mond erreichte, würde dessen Göttin ihm vielleicht eine überzeugende Erklärung geben können – eine Erklärung, die sein aufgewühltes Inneres besänftigen würde,
denn die Finsternis hatte recht. Was er am dringendsten ersehnte, würde Stevie Rae ihm niemals geben können
.
Wonach ich mich am dringendsten sehne, ist Liebe …
Er war nicht in der Lage, es laut auszusprechen, und selbst der Gedanke daran versengte ihn. Er war mit Gewalt empfangen worden, in einem Strudel aus Lust, Angst und Hass. Vor allem Hass – dieser alles verschlingende Hass.
Stetig schlugen seine Schwingen, trugen ihn höher und höher.
So etwas wie Liebe war ihm unmöglich. Er sollte sie nicht einmal ersehnen – nicht einmal einen Gedanken daran verschwenden.
Aber er tat es dennoch. Seit Stevie Rae in sein Leben getreten war, hatte Rephaim begonnen, der Liebe Platz in sich einzuräumen.
Sie war freundlich zu ihm gewesen. Niemals zuvor hatte ihm jemand Freundlichkeit zuteil werden lassen.
Sie war sanft gewesen, hatte seine Wunden verbunden, hatte ihn behutsam berührt. Vor jener Nacht, als sie ihn aus der eisigen, blutigen Dunkelheit rettete, hatte sich noch nie jemand um ihn gekümmert. Mitgefühl. Sie hatte Mitgefühl in sein Dasein gebracht.
Und ehe er sie kannte, hatte er nicht gewusst, wie es war zu lachen.
Während er sich, die Augen auf den Mond gerichtet, durch den Wind kämpfte, dachte er an ihr unermüdliches Geplapper und daran, wie sie ihn so oft mit belustigt funkelnden Augen angesehen hatte, ohne dass er verstanden hätte, wodurch er sie nun wieder amüsiert hatte, und plötzlich musste er sich ein unerwartetes Lachen verkneifen.
Stevie Rae brachte ihn zum Lachen.
Wie gleichgültig es ihr scheinbar gewesen war, dass er der mächtige Sohn eines unbezwingbaren Unsterblichen war. Sie hatte ihn herumkommandiert, als wäre er ein ganz gewöhnlicher Bestandteil ihres Lebens – jemand, der normal war, sterblich, fähig zu lachen, zu lieben und wahre Gefühle zu haben.
Aber er
hatte
wahre Gefühle! Stevie Rae hatte ihn gelehrt zu fühlen.
War das von Anfang an ihr Plan gewesen? Als sie ihm unter dem Kloster die Freiheit schenkte, hatte sie gesagt, er habe eine Wahl zu treffen. War es dies, was sie damit gemeint hatte – dass er frei war, ein Leben zu wählen, in dem Lachen und Mitgefühl und vielleicht sogar Liebe wahrhaft existierten?
Aber was war mit seinem Vater? Was, wenn Rephaim ein anderes Leben wählte und Kalona in diese Welt zurückkehrte?
Vielleicht sollte er sich darum
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