House of Night 7. Verbrannt
erst Gedanken machen, wenn es soweit war. Falls es jemals dazu kommen würde.
Ehe es ihm bewusst wurde, hatte Rephaim schon begonnen zu verlangsamen. Er konnte den Mond nicht erreichen; das war so unmöglich, wie es einem Wesen wie ihm unmöglich war, geliebt zu werden. In diesem Augenblick bemerkte er, dass er nicht mehr nach Osten flog. Er hatte eine Schleife beschrieben und befand sich auf dem Weg zurück. Nach Tulsa.
Er versuchte, jeden weiteren Gedanken zu unterdrücken, seinen Geist von allem zu befreien. Er wollte nur noch die Nacht unter den Flügeln spüren – die kühle, süße Luft, die um seinen Körper strich.
Aber wieder stahl sich Stevie Rae in ihn hinein.
Es war ihre Trauer, die ihn erreichte. Rephaim wusste, dass sie weinte. Er konnte die Schluchzer spüren, als kämen sie aus seinem eigenen Körper.
Er flog schneller. Was brachte sie zum Weinen? War er wieder schuld daran?
Ohne zu zögern flog Rephaim am Gilcrease-Museum vorbei. Dort war sie nicht. Er spürte: Sie war noch ein Stück entfernt, im Süden.
Während seine Schwingen weiter die Nacht bezwangen, spürte er, wie Stevie Raes Trauer zu etwas anderem wurde – zu etwas, was ihn zuerst verwirrte, und dann, als ihm klarwurde, was es war, geriet sein Blut in Wallung.
Begehren! Stevie Rae lag bei einem anderen!
In diesem Moment dachte Rephaim nicht wie ein Wesen, das zwei Welten angehörte und das weder Mensch noch Tier war. Er dachte nicht daran, dass er, entstanden durch eine Vergewaltigung, dazu verdammt war, nichts zu kennen außer Finsternis und Gewalt und dem Dienst an seinem von Hass getriebenen Vater. Rephaim dachte überhaupt nicht. Alles, was er tat, war zu
fühlen
. Wenn Stevie Rae sich einem anderen hingab, würde er sie für immer verlieren.
Und wenn er sie für immer verlor, dann würde seine Welt wieder zu dem finsteren, einsamen, freudlosen Ort werden, der sie gewesen war, bevor er sie gekannt hatte.
Und das ertrug er nicht.
Er bediente sich nicht seines Vaters Blut, damit dieses ihn zu ihr führte. Im Gegenteil. Aus den Tiefen seines Seins rief er das Bild eines hübschen Cherokee-Mädchens wach, das es durch nichts verdient hatte, in einem Strudel aus Blut und Schmerz zu sterben. Mit diesem Bild, wie er sich seine Mutter immer vorgestellt hatte, vor seinem geistigen Auge, flog er instinktiv dorthin, wohin sein Herz ihn wies.
Sein Herz führte ihn zum Bahnhof.
Bei dessen Anblick wurde ihm beinahe übel. Nicht nur wegen der Erinnerung an das Dach und daran, wie nahe Stevie Rae dem Tod gewesen war. Sondern auch, weil er sie spüren konnte – hier, in diesem Gebäude, unter der Erde. Und sie lag in den Armen eines anderen.
Rephaim zerrte das Gitter vom Eingang. Ohne sich aufzuhalten, eilte er durch den Kellerraum. Mit Hilfe seiner Verbindung zu ihr stieg er in die vertrauten Tunnel hinab. Sein Atem kam in hastigen, wilden Stößen. Sein Blut hämmerte ihm durch die Schläfen und heizte seinen Zorn und seine Verzweiflung nur weiter an.
Als er sie schließlich fand, hing der Junge in brünstigem Taumel über ihr, völlig versunken und blind für alles andere. Welch ein Narr. Rephaim hätte ihn von ihr herunterzerren sollen. Oh, er hätte es gern getan. Der Rabenspötter in ihm wollte den Jungvampyr wieder und wieder gegen die Wand schmettern, bis er ein gebrochenes, blutiges Bündel und keine Bedrohung mehr für ihn war.
Der Mensch in ihm war nahe daran zu weinen.
Überrollt von Gefühlen, die er weder verstand noch unter Kontrolle hatte, war er unfähig, sich von der Stelle zu rühren. Voller Grauen und Hass, Verzweiflung und Verlangen starrte er die Szene an. Während er beobachtete, machte Stevie Rae Anstalten, vom Blut des Jungvampyrs zu trinken, und Rephaim erkannte mit absoluter Sicherheit zwei Dinge. Erstens: Wenn sie das tat, würde die Prägung zwischen ihnen brechen. Zweitens: Er wollte nicht, dass die Prägung zwischen ihnen brach.
Ohne einen bewussten Gedanken rief er: »Tu uns das nicht an, Stevie Rae!«
Der Junge reagierte schneller als sie. Er sprang auf und stieß sie hinter sich. Sie war völlig nackt.
»Verpiss dich, du Scheiß-Mutant!«, schrie der Kleine, darauf bedacht, zwischen ihm und ihr zu bleiben.
Beim Anblick dessen, wie der Jungvampyr sie,
seine
Stevie Rae, vor
ihm
zu beschützen versuchte, überfiel Rephaim eine Welle besitzgieriger Wut. In gespannter Habachtstellung ging er langsam auf den Jungen zu. »Weiche, Knabe! Deine Anwesenheit wird hier nicht mehr gebraucht!«
Stevie
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