House of Night 7. Verbrannt
Geräusch von sich, aber Tränen liefen ihm ungehindert über die Wangen und tränkten sein Hemd. Neben ihm stand Darius. Gerade sagte er etwas zu der Vampyrin auf dem ersten Thron, was sie nicht verstehen konnte. Damien, Jack und die Zwillinge hatten sich – typisch für sie – in der ersten Reihe wie eine Herde Schafe zusammengekuschelt. Auch sie waren tränenüberströmt, aber ihr lautstarkes Geschluchze unterschied sich von Starks stummer Qual wie ein gluckernder Bach vom düsteren Ozean.
Automatisch wollte Aphrodite hinuntergehen, aber Neferet hielt sie am Handgelenk fest. Das bewirkte, dass Aphrodite sich endlich ihrer einstigen Mentorin zuwandte.
»Könnten Sie mich bitte loslassen?«, zischte sie.
Neferet hob eine Augenbraue. »Hast du es endlich gelernt, dich gegen Mutterfiguren zur Wehr zu setzen?«
Aphrodite ließ nicht zu, dass der siedende Zorn in ihr überkochte. »Sie sind keine Mutterfiguren für mich. Gegen fiese Miststücke kann ich mich schon lange zur Wehr setzen.«
Neferet runzelte die Stirn. »Deine ungehobelte Sprache hat mir noch nie gefallen.«
»Ich bin nicht ungehobelt, sondern authentisch. Das ist ein großer Unterschied. Und bilden Sie sich etwa ein, ich würde mich auch nur einen Furz darum scheren, was Ihnen gefällt?« Neferet holte Atem, um zu antworten, aber Aphrodite kam ihr zuvor. »Was zum Teufel machen Sie eigentlich hier?«
Neferet blinzelte überrascht. »Ich bin hier, weil eine Jungvampyrin verwundet ist.«
»Schwachsinn. Sie sind hier, weil Sie glauben, dass das Ihnen irgendwas bringt. So funktionieren Sie nämlich, Neferet, ob die da unten es wissen oder nicht.« Sie wies mit dem Kinn auf die Mitglieder des Hohen Rates.
»Sei vorsichtig, Aphrodite. Es könnte sein, dass du in naher Zukunft meine Hilfe brauchst.«
Aphrodite erwiderte Neferets Blick und erkannte mit leisem Schock, dass die Augen, in die sie sah, sich verändert hatten. Sie waren nicht mehr leuchtend smaragdgrün. Sie waren dunkler geworden.
Und war das etwa Rot, das da tief in ihnen glühte?
Kaum hatte Aphrodite diesen Gedanken zu Ende gedacht, da blinzelte Neferet. Ihre Augen klärten sich und nahmen wieder die Farbe edler Juwelen an.
Aphrodite holte zitternd Luft, die Härchen an ihren Unterarmen stellten sich auf, aber sie sagte hart und sarkastisch: »Oh, kein Problem. Ich versuch mein Glück lieber ohne Ihre ›Hilfe‹.« Mit den Fingern setzte sie das Wort in Anführungszeichen.
»Neferet, der Rat bewilligt deine Anwesenheit!«
Neferet drehte sich zum Rat um, aber bevor sie die Stufen hinabschritt, hielt sie inne und deutete anmutig auf Aphrodite. »Ich bitte den Rat, dieses Menschenkind heute hier zuzulassen. Es handelt sich um Aphrodite, das Mädchen, das behauptet, eine Prophetin der Nyx zu sein.«
Aphrodite trat vor Neferet und blickte die Ratsmitglieder an, eine nach der anderen. »Ich
behaupte
nicht, eine Prophetin zu sein. Ich bin Nyx’ Prophetin, weil die Göttin das so will. Tatsache ist, dass ich, wenn ich die Wahl gehabt hätte, den Job nie gewollt hätte.« Ohne sich darum zu kümmern, dass einige Ratsmitglieder entsetzt aufkeuchten, fuhr sie fort: »Ach, nur zur Info: Das weiß Nyx schon längst.«
»Die Göttin hat Vertrauen in Aphrodite, obgleich diese ihrer selbst weit weniger sicher ist«, sagte Darius.
Aphrodite lächelte ihn an. Er war nicht nur ihr großer, scharfer Berg von einem Krieger. Sie konnte auf ihn zählen; er sah stets nur das Beste in ihr.
»Darius, warum sprichst du für diesen Menschen?«, fragte die brünette Vampyrin.
»Duantia, ich spreche für diese
Prophetin
«, sorgfältig betonte er den Titel, »weil ich ihr meine Treue als Krieger geschworen habe.«
»Deine Treue als Krieger?« Deutlich war Neferet der Schock anzuhören. »Aber das heißt ja …«
»Das heißt, dass ich kein gewöhnlicher Mensch sein kann, weil es einem Krieger nämlich unmöglich ist, einem Menschen die Treue zu schwören«, beendete Aphrodite ihren Satz.
»Du darfst den Saal betreten, Aphrodite, Prophetin der Nyx. Der Rat bewilligt deine Anwesenheit«, verkündete Duantia.
Aphrodite eilte die Stufen hinunter, so dass Neferet gezwungen war, ihr zu folgen. Sie wäre am liebsten sofort zu Zoey gegangen, aber einer Eingebung folgend hielt sie zuerst vor der Vampyrin namens Duantia an. Respektvoll schloss sie die Hand über dem Herzen zur Faust und verneigte sich. »Ich danke Ihnen, dass Sie mich hier zulassen.«
»In solch außergewöhnlichen Zeiten ist es nur billig,
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