House of Night 7. Verbrannt
los.«
Fast lachte sie laut auf, als sie das offenkundige Entsetzen und sein gekränktes Gesicht sah.
Hatte der Junge wirklich geglaubt, ihren göttlichen Gefährten ersetzen zu können? Diese Unverfrorenheit fachte ihren Zorn nur noch mehr an.
In den dunklen Ecken ihres Schlafzimmers erbebten voller Erwartung tiefe Schatten. Sie ließ sich nichts anmerken, aber sie spürte und genoss es.
»Kronos, du hast mich ein paar Stunden lang gut unterhalten und mir ein gewisses Maß an Vergnügen bereitet.« Wieder berührte sie ihn, diesmal nicht so sanft. Ihre Fingernägel hinterließen erhabene Striemen auf seinem muskulösen Unterarm. Der junge Krieger zuckte nicht zusammen und entzog ihr auch nicht den Arm. Die Berührung ließ ihn erzittern, und sein Atem beschleunigte sich. Neferet lächelte. In dem Moment, da sie ihm in die Augen gesehen hatte, hatte sie gewusst, dass dieser hier Schmerz brauchte, um Begehren zu fühlen.
»Ich würde Euch noch mehr Vergnügen bereiten, wenn Ihr es erlaubtet«, sagte er.
Neferet lächelte. Langsam fuhr sie sich mit der Zungenspitze über die Lippen, während sie ihn dabei beobachtete, wie er sie mit Blicken verschlang. »Vielleicht ein andermal. Vielleicht. Jetzt wünsche ich mir von dir, dass du mich verlässt – und natürlich, dass du mich weiterhin verehrst.«
»Ich wollte, ich könnte Euch zeigen, wie sehr ich mich danach sehne, Euch
noch einmal
zu verehren.« Die letzten Worte waren eine verbale Liebkosung, und dann beging Kronos einen großen Fehler – er streckte die Hand nach ihr aus.
Als hätte er das Recht, sie zu berühren.
Als hätte sie ihre Wünsche seinen Trieben unterzuordnen.
Aus der Tiefe ihrer verschütteten Erinnerungen stieg ein winziges Echo ihrer fernen Vergangenheit auf – einer Zeit, die sie gemeinsam mit ihrer Menschlichkeit begraben zu haben glaubte. Plötzlich überlagerte ihre Kindheit die Gegenwart, und sie spürte die Berührung ihres Vaters und konnte sogar seinen fauligen, alkoholgeschwängerten Atem riechen.
Neferet reagierte sofort. Leicht wie ein Atemzug hob sie die Hand von seinem Arm und hielt sie, Handfläche nach außen, einem der Schatten in den Zimmerecken entgegen.
Noch weit schneller als Kronos reagierte die Finsternis auf ihre Berührung. Neferet genoss die von ihr ausgehende tödliche Kälte, vor allem weil diese die Erinnerung zurückdrängte. Fast beiläufig schleuderte sie die Finsternis auf Kronos. »Wenn es Schmerz ist, wonach dich so verlangt, so koste mein eisiges Feuer.«
Begierig drang die Finsternis in die junge, zarte Haut des Kriegers ein und verzierte den Arm, den Neferet soeben noch gestreichelt hatte, mit dünnen scharlachroten Bändern. Er stöhnte auf, doch diesmal mehr vor Angst denn vor Verlangen.
»Und nun tu, was ich dir befohlen habe. Lass mich allein. Und denk daran, junger Krieger, dass eine Göttin selbst entscheidet, wann, wo und wie sie berührt wird. Überschreite nie wieder deine Befugnisse.«
Die Hand um den blutenden Arm gekrampft, verneigte Kronos sich tief vor ihr. »Ja, meine Göttin.«
»Göttin? Drück dich genauer aus, Krieger! Ich schätze es nicht, mit unbestimmten Titeln bedacht zu werden.«
Er berichtigte sich unverzüglich. »Fleischgewordene Nyx. So lautet Euer Titel, meine Göttin.«
Ihr drohender Blick wurde weicher. Ihr Gesicht verwandelte sich wieder in eine Maske der Schönheit und Freundlichkeit. »Sehr gut, Kronos. Sehr gut. Siehst du, wie einfach es ist, mir zu gefallen?«
Gebannt von ihrem smaragdgrünen Blick nickte Kronos knapp und ballte dann die Faust über dem Herzen. »Ja, meine Göttin, meine Nyx.« Unterwürfig verließ er im Rückwärtsgang ihr Zimmer.
Wieder lächelte Neferet. Dass sie in Wahrheit keine Inkarnation von Nyx war, war unwesentlich. Tatsächlich war Neferet nicht sehr erpicht darauf, die Rolle einer fleischgewordenen Göttin zu spielen. »Das impliziert lediglich, dass ich etwas Geringeres bin als eine wahre Göttin«, sprach sie zu den um sie versammelten Schatten. Wichtig war allein, Macht zu haben – und wenn der Titel der Fleischgewordenen Nyx ihr half, Macht anzuhäufen, vor allem in Form der Söhne des Erebos, war es der Titel, den sie annehmen würde. »Aber was ich anstrebe, ist weit mehr, als im Schatten einer Göttin zu stehen.«
Bald schon würde sie für ihren nächsten Schritt bereit sein, und sie wusste, dass einige Söhne des Erebos sich überzeugen lassen würden, ihr zur Seite zu stehen. Oh, nicht so viele, als dass man
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