House of Night 7. Verbrannt
berührte sie seine Wange.
Seine Haut war kühl wie immer, fühlte sich aber leblos an. Auf ihre Anwesenheit zeigte er nicht die geringste Reaktion.
»Was hält dich so lange auf, mein Geliebter? Kannst du nicht schneller mit diesem lästigen Kind fertigwerden?«
Wieder streichelte sie ihn; diesmal glitt ihre Hand von seinem Gesicht in seine Halsbeuge, weiter seine Brust hinab und hielt erst auf dem wohlgeformten Relief seiner Bauch- und Hüftmuskeln inne.
»Denk an deinen Schwur und erfülle ihn, damit ich dich wieder in meine Arme schließen und in mein Bett lassen kann. Bei Blut und Finsternis hast du geschworen, Zoey Redbird daran zu hindern, ihren Körper wieder in Besitz zu nehmen, auf dass sie vernichtet werde und mir der Weg offenstehe, über diese magische Welt der Moderne zu herrschen.« Verstohlen lächelnd ließ Neferet die Hand noch einmal über die schlanken Hüften des gefallenen Unsterblichen gleiten. »Oh, und natürlich wirst du dann den Platz an meiner Seite einnehmen.«
Unsichtbar für die törichten Söhne des Erebos, die sich einbildeten, sie für den Hohen Rat ausspionieren zu können, erzitterten die schwarzen spinnennetzartigen Stränge, die Kalona auf der Erde gefangen hielten, und streiften eisig Neferets Handrücken. Betört von ihrer verlockenden Kälte öffnete sie die Hand und ließ zu, dass die Finsternis sich ihr ums Handgelenk wand und kaum merklich in die Haut schnitt – nicht so, dass der Schmerz unerträglich gewesen wäre, nur so weit, um vorübergehend ihren unersättlichen Durst nach Blut zu stillen.
Da fielen Worte über sie her wie ein frostiger Sturm über einen kahlen Baum.
Denk an deinen Eid …
Neferets Miene verfinsterte sich. Es war nicht notwendig, sie daran zu erinnern. Natürlich war sie sich ihres Eides bewusst. Im Austausch dafür, dass die Finsternis ihr zu Diensten war – dass sie Kalonas Körper gefangen hielt und seine Seele in die Anderwelt eingeschleust hatte –, hatte sie sich bereiterklärt, eine unschuldige Seele zu opfern, die niemals von der Finsternis befleckt worden war.
Wieder umwehten sie Worte.
Der Eid hat Bestand, Tsi Sgili, selbst wenn Kalona versagen sollte …
»Kalona wird nicht versagen!«, rief Neferet, außer sich vor Zorn, dass auch die Finsternis es wagte, sie zurechtzuweisen. »Und falls doch, ist sein Geist an meinen gebunden, solange er unsterblich ist, so dass selbst sein Versagen ein Sieg für mich wäre. Aber er wird nicht versagen.« Langsam und deutlich wiederholte sie den Satz, um die Kontrolle über ihr zunehmend unbeständiges Temperament wiederzuerlangen.
Die Finsternis leckte an ihrer Handfläche. So gering der Schmerz war, sie genoss ihn und betrachtete zärtlich die schwarzen Stränge, als wären sie nichts als Kätzchen, die übereifrig um ihre Aufmerksamkeit buhlten.
»Habt Geduld, meine Lieblinge. Seine Mission ist noch nicht beendet. Mein Kalona ist immer noch eine bloße Hülle. Ich kann nur annehmen, dass Zoey weiter in der Anderwelt schmachtet – nicht voll am Leben und leider noch nicht gänzlich tot.«
Die Stränge um ihr Handgelenk erzitterten, und einen flüchtigen Moment lang war es Neferet, als höre sie in der Ferne spöttisches Gelächter.
Doch sie hatte keine Zeit, sich zu überlegen, was das Geräusch bedeuten mochte – ob es real war oder nur ein weiterer Bestandteil der sich stetig ausdehnenden Welt der Finsternis und Macht, die mehr und mehr von dem verschlang, was sie einst als Wirklichkeit gekannt hatte – denn in diesem Augenblick verkrampfte sich Kalonas gefesselter Leib, und er rang keuchend nach Luft.
Sofort flog ihr Blick zu seinem Gesicht, und so wurde sie Zeuge des entsetzlichen Anblicks, wie seine Augen sich öffneten und nichts als blutige, leere Augenhöhlen enthüllten.
»Kalona! Geliebter!« Neferet beugte sich über ihn und nahm fahrig sein Gesicht zwischen die Hände.
Die Finsternis, die ihre Handgelenke liebkost hatte, dehnte sich in einem plötzlichen Einstrom von Macht aus, was Neferet zusammenzucken ließ, löste sich dann abrupt von ihr und gesellte sich zu den Myriaden klebriger Tentakel, die wie ein Netz pulsierend unter der Gewölbedecke des Kerkers schwebten.
Ehe Neferet einem von ihnen den Befehl geben konnte, zu ihr zu kommen – ihr eine Erklärung für ihr bizarres Benehmen zu liefern – blitzte an der Decke ein gleißendes Licht auf, so grell, dass sie die Augen mit der Hand schützen musste.
Im nächsten Atemzug bemächtigte sich die
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