Huebsch in alle Ewigkeit Roman
ist sogar ausgesprochen kompliziert. Denn wir müssen noch einiges organisieren!
»Ture wird es verkraften, wenn ich mal ein, zwei Stündchen weg bin«, sagt Vivian.
»Aber Brunner nicht«, stöhne ich. »Der flippt aus, wenn er gleich einen leckeren Rattensaft trinken will und mich nicht an meinem Platz in der Kantine sieht. Und Gunther ist hundertpro eine Petze.«
»Okay, dann mache ich die Besorgungen, und wir treffen uns um vier Uhr vor dem Gebäude.«
»Meinst du, das klappt?«
»Wir müssen es versuchen.«
Ich gehe zurück in die Kantine. Es ist höchste Zeit! Gleich werden die ersten Vampire angetrottet kommen, um sich ihr Blutsüppchen zu zapfen. Gunther hat sich mit seinem Stuhl am Anfang der Selbstbedienungstheke positioniert, wahrscheinlich um seine Stellung als Herr über Hunger und Durst zu betonen. Bei meinen bisherigen Besuchen war er mir dort nie aufgefallen. Liegt wohl an seiner blassen Hautfarbe und der langen Metzgerschürze, die ihn optisch mit der weiß gekachelten Wand verschmelzen lassen wie einen Marshmallow-Mann im Schnee.
»Hi Gunther, was läuft?«, frage ich. Er mustert mich biestig. Nur so zum Spaß nehme ich mir einen Stuhl und setze mich links neben ihn, so dass ich jetzt dem Eingang etwas näher bin als er und jeder, der reinkommt, erst mich erblickt. Sofort fängt er an, unruhig hin und her zu rutschen. »Ich kann nichts mehr sehen«, behauptet er.
»Was willst du denn sehen?«, frage ich zurück. »Hier ist ja wohl keine Leinwand oder so was.«
Gunther stöhnt, steht auf, wandert mit seinem Stuhl an meine linke Seite und richtet seinen massigen Körper zu voller Größe auf. Meine Güte, diese ganzen Profilneurotiker in diesem Laden sind wirklich nicht zum Aushalten! Jetzt ist neben ihm noch ungefähr ein Meter Platz, dann hört die Theke, und damit auch der Küchenbereich, auf, und der Teppich fängt an. Ich kann nicht anders. Es ist einfach zu verlockend.
»Was machen Sie denn hier?«, donnert Brunner, als er sieht, dass Gunther direkt hinter der Eingangstür hockt. Brunner ist natürlich als Erster gekommen, wahrscheinlich, um sich möglichst lange an meiner Degradierung zu ergötzen »Ihr Arbeitsbereich ist da! « Er zeigt hinter die Theke. Kleinlaut nimmt Gunther seinen Stuhl und quetscht sich zwischen mir und dem Tresen durch.
»Sie war das«, bricht es aus ihm heraus. »Sie ist immer weiter gerutscht.« Er zeigt mit seinem wurstigen Zeigefinger auf mich.
»Ich mache hier nur meinen Job«, sage ich.
Plötzlich springt Gunther auf. »Ich kann das nicht!« Er will theatralisch seine Schürze ausziehen, kommt aber mit seinen speckigen Armen nicht an den Knoten auf seinem
Rücken heran. »Wenn sie hier arbeitet, dann gehe ich!« Sieh mal einer an, der Marshmallow-Mann hat Allüren wie eine zickige Diva.
Brunner mustert mich kritisch. »Burmanns, Burmanns, Burmanns.« Er schnalzt enttäuscht mit der Zunge und wiegt den Kopf, als wäre er die Super Nanny und ich ein hoffnungslos verzogenes Gör.
Ich schaue ihn herausfordernd an. »Ja, Chef?«, frage ich und klimpere unschuldig mit den Wimpern.
»Sie sind total unfähig und frech und …« Ihm gehen mitten im Satz die Beleidigungen aus.
»… und eine Landplage?«, schlage ich vor.
»Ja, genau, eine Landplage«, sagt er, kurz erleichtert über die schöne Beschimpfung, dann noch mehr verärgert, weil er es noch nicht mal schafft, mich alleine runterzumachen. »Wo Sie auftauchen, gibt es nichts als Ärger!«, schreit er.
»Aber bitte schmeißen Sie mich nicht raus, Chef, bitte, bitte, bitte!«, bettele ich zerknirscht.
»Doch, das werde ich«, verkündet er triumphierend. »Sie verlassen jetzt sofort …« Noch bevor er den Satz zu Ende gesprochen hat, bin ich zur Tür raus. Und ich fange erst gar nicht an, darüber nachzudenken, was das für Konsequenzen haben könnte, wenn man aus dem Gemeinschaftsdienst verbannt wird.
Ungeduldig warte ich vor dem Gebäude auf Vivian. Ein klobiger silberner BMW X 5 kommt angebraust.
»Na klar, dass die Tussi so eine Protzkarre fährt«, murmele ich vor mich hin, als ich Sandra hinter dem
Steuer sehe. Vivian sitzt neben ihr und winkt mich aufgeregt hinein. Ich steige auf die Rückbank, dann fahren wir um die Ecke auf einen Parkplatz.
»Hi Sandra«, grüße ich, »schönes Make-up.«
»Toll, was?« Sie bewundert ihre aufgemalte Leichenblässe im Spiegel. »Marilyn Manson ist nichts dagegen. Mit dieser Blutspur, die aus dem Mundwinkel lief, sah es allerdings noch besser aus.
Weitere Kostenlose Bücher