Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hühner Voodoo (German Edition)

Hühner Voodoo (German Edition)

Titel: Hühner Voodoo (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hortense Ullrich
Vom Netzwerk:
Frage ein ganzes Huhn verputzen musste, sondern die entzweigebrochenen Wishbones wiederverwenden konnte. Und auch andere Hühnerknochen. Je mehr Knochen man warf, desto komplexer war die Antwort. Ihre Interpretationsfähigkeit wuchs und wurde präziser, ihr Knochenorakel wurde ihr ständiger Begleiter.
    Aber es fehlte ihr stets ein griffiger Name für das, was sie tat. Der kam, als vor nicht allzu langer Zeit Pater Mathéo Ledoux, ein Kollege ihres Arbeitgebers, der St. Mariengemeinde einen Besuch abstattete und einen Vortrag hielt. Pater Mathéo kam aus Haiti und erzählte viel und gerne aus seiner Heimat. Bernadette erfuhr, dass Voodoo in Haiti zur offiziellen Religion erklärt worden war, die Voodoo-Priester dieselben Rechte haben wie die katholischen Kollegen, sie dürfen Ehen schließen, Taufen und Begräbnisse durchführen, und dass die Mehrheit der Bevölkerung beiden Glaubensrichtungen angehört. Voodoo und katholischer Glaube schienen sich nicht auszuschließen.
    Er zog eine Parallele zwischen den katholischen Heiligen und den ebenso zahlreichen Loas, den Voodoo-Geistern, von denen jedem ein bestimmtes Aufgabengebiet zugeteilt war und die entsprechend verehrt und zu Rate gezogen wurden. Genau wie die katholischen Heiligen. Und von denen einige ihren katholischen Kollegen verblüffend ähnlich sahen.
    Dafür hatte er auch eine Erklärung: Voodoo existierte in Westafrika schon seit ewiger Zeit. Als im 18. Jahrhundert die ersten Sklaven nach Haiti verschleppt wurden, übten sie weiter ihre Voodoo-Rituale aus. Genau genommen umso heftiger, weil sie durch ihre neuen Lebensumstände nun noch mehr Hilfe nötig hatten. Das missfiel den französischen Kolonialherren. Sie hatten das ungute Gefühl, viele der Rituale seien gegen sie gerichtet – damit lagen sie nicht falsch. Deshalb führten sie den Katholizismus ein und stellten die Ausübung von Voodoo unter Strafe. Die Sklaven, anpassungsfähig und clever, suchten sich daraufhin unter den katholischen Heiligen diejenigen aus, die ihren Geistern in etwa entsprachen, also dieselben Aufgabengebiete und Eigenschaften hatten, und wandten sich in religiöser Zwiesprache fortan stellvertretend an diese. Nachdem etwa zwei Jahrhunderte später der Bann aufgehoben wurde und Voodoo wieder ganz offen betrieben werden durfte, tat man das in friedlicher Koexistenz mit dem katholischen Glauben. Sprich, die meisten Haitianer sind Voodoo praktizierende Katholiken.
    Als Bernadette erfuhr, dass Voodoo in erster Linie als Lebenshilfe, zur Beantwortung von Fragen, zum Lösen von Problemen und zum Heilen von Krankheiten eingesetzt wird, entschied sie, Pater Mathéo zu Ehren, dessen Toleranz für eine andere Glaubensrichtung großen Eindruck auf sie machte, ihr Hühnerknochen-Orakel von da an «Hühner Voodoo» zu nennen.

    Bernadette, nach wie vor beseelt von den Plänen, die Gwendolyn geschmiedet hatte, überlegte, wie potenzielle Kunden von ihrem Hühner-Voodoo-Service erfahren sollen. Sie könnte kleine Plakate in Geschäften aufhängen. Oder Handzettel verteilen. Und sie brauchte Visitenkarten. Visitenkarten wirkten seriös. Sie sollte statt Handzettel Visitenkarten verteilen.

    Bernadette hatte sich die Souterrainwohnung angesehen, war sehr angetan gewesen und hatte sie auf der Stelle gemietet. Dass Gwendolyn die Vermieterin war, gefiel ihr. Ein wenig lag es auch daran, dass sie Gwendolyns Namensschild an der großen Eingangstür ihres Hauses entdeckt hatte. «Herzog von Wohlrath» stand da.
    Bernadette war beeindruckt gewesen: «Du bist eine Herzogin?»
    Gwendolyn liebte diese falsche Schlussfolgerung. War wahrscheinlich genetisch bedingt. Sie hatte bescheiden gelächelt: «Lass uns kein Aufhebens von meinem Namen machen. Ich bin Gwendolyn für dich und gut ist.»
    Die Souterrainwohnung verfügte über eine sehr große Diele, die als Wartezimmer fungieren sollte. Es gab zwei gleich große Räume, die mit einer großen Schiebetür verbunden waren. Das eine Zimmer sollte Gwendolyns psychologische Praxis werden, das andere Bernadettes Voodoo-Zimmer. Gwendolyn hatte versprochen, sich um das Mobiliar zu kümmern, während Bernadette zugesagt hatte, die Rechnungen dafür zu bezahlen. Bernadette war besonders glücklich, als sie die volleingerichtete Küche sah und kündigte an, täglich Marmorkuchen zu backen. Das dritte, etwas kleinere Zimmer sollte ihr Lager sein, schlug sie Gwendolyn vor.
    «Wofür brauchen wir ein Lager?», erkundigte sich Gwendolyn.
    «Für die Knochen. Ich habe

Weitere Kostenlose Bücher