Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)

So ein Blödsinn. Abendgarderobe! Wozu denn? Sie würden in einer Lodge übernachten mitten in der Wildnis, wo es wahrscheinlich Moskitonetze über den Betten gab und Petroleumlampen, im Morgengrauen würden sie aufbrechen und den ganzen Tag durch den Naturschutzpark fahren. Jeans brauchte man dazu, bequeme Schuhe und obenherum etwas Leichtes. Shorts hatte sie noch eingepackt für tagsüber sowie eine Jacke, weil es abends angeblich kühl sein würde, was sie allerdings bezweifelte. In diesem Land wurde es doch nie kühl!
    »Ob man den Rock in die Reinigung geben kann?« begann Röschen aufs neue. »Bei uns im Hotel geht das innerhalb von zwölf Stunden. Tadellos werden die Sachen, wirklich erstaunlich. Wo wohnen Sie denn?«
    »Meinen Sie hier im Urlaub oder im wirklichen Leben?« Doch Röschen hörte gar nicht hin. »Wir haben im ›Marlin‹ gebucht. Erstklassiges Hotel und ein sehr gutes Publikum. Ich sage immer, im Urlaub ist gerade das Beste gut genug. Voriges Jahr in Thailand haben wir im … Alwin, wie hieß doch das Hotel in Thailand? Na, ist ja egal, jedenfalls war es das erste Haus am Platz. Sogar einen Fernseher hatten wir im Zimmer.«
    »Dann sprechen Sie wohl fließend Thai?«
    »Nein, wieso?«
    Leider war der kleine Stoppelhopser nicht schnell genug, die Schallmauer zu erreichen. Genau das war es, was Tinchen am liebsten zwischen sich und diesem Röschen errichtet hätte. Unentwegt schwafelte es von Reisen, die es schon gemacht hatte, noch machen werde, wo es niemals hinfahren würde – »Indien, mein Gott, nein! Diese Bettler überall, man kennt das ja aus dem Fernsehen, und dann diese Hitze!« – und wohin immer wieder. »Sind Sie schon in der Karibik gewesen, meine Liebe? Nein? Da müssen Sie einfach mal hin, es gibt nichts Schöneres als Barbados.«
    Wärste doch bloß dageblieben, dachte Tinchen und bemerkte erleichtert, daß der Pilot zum Sinkflug ansetzte. Nur wo, um alles in der Welt, wollte er landen? Da unten war doch nichts als braune Erde. Erst im letzten Augenblick sah sie die Piste, ein Stück plattgewalzten Boden, kaum dreihundert Meter lang, rechts und links durch kleine Sandwälle markiert. Es ruckelte heftig, als das Fahrgestell ausgefahren wurde, und dann waren sie auch schon unten. Ein paarmal hüpfte das kleine Flugzeug wie ein Gummiball auf und nieder, rollte eine kurze Strecke und stand still. Erleichtert öffnete Tobias den Sicherheitsgurt. »Mann, o Mann, hoffentlich kriegen wir für den Rückflug eine andere Maschine. Der Schwarze mit dem Feuerlöscher war mir gar nicht geheuer.«
    Bevor Florian nachhaken konnte, deutete Tinchen auf eine sich nähernde Staubwolke. »Was ist denn das? Eine Elefantenherde?«
    Es waren jedoch nur drei Autos, gesteuert von lachenden Eingeborenen, die sich einen Spaß daraus machten, die Neuankömmlinge erst einmal gründlich einzunebeln. Nachdem sich der Staub verzogen hatte, konnten sie die Fahrzeuge näher in Augenschein nehmen. Landrover waren es, oben mit Schiebedach und bestückt mit jeweils zwei Bänken, auf denen sechs Personen Platz hatten.
    »Sind die Sitze numeriert?« wollte Röschen wissen. Sie waren es nicht, und so wartete Tinchen, bis Röschen und Alwin den ihnen genehmen Wagen ausgesucht und bestiegen hatten. »Bloß nicht unter einem Dach mit denen.«
    Es blieb nur noch ein Jeep übrig, in den gerade die beiden Italiener geklettert waren. »Buon giorno«, sagte Tinchen, während sie sich zur hinteren Sitzbank durchquetschte.
    »Buon giorno, signora«, echoten die beiden Herren. Babyface lüpfte sogar andeutungsweise sein rosa Hütchen.
    »Stimmt ja, Mutti, du sprichst doch Italienisch«, erinnerte sich Julia, »da werden sich die beiden Typen aber freuen.«
    »Von wegen sprechen! Das ist zwanzig Jahre her. Jetzt weiß ich bloß noch, was portacenere heißt und stuzzicadenti.«
    »Und was heißt das?«
    »Aschenbecher und Zahnstocher. Damit komme ich nicht weit. – Nein, Tobias, laß Julia hier nach hinten, setz du dich neben die Italiener!«
    Die rückten auch bereitwillig zusammen. Endlich klemmte sich der Fahrer auf seinen Sitz, und dann ging es los. Quer durch die Savanne ohne Rücksicht auf Unebenheiten in Form von Grasbüscheln, badewannengroßen Vertiefungen oder irgendwelchem Gestrüpp. Einige Male schon war Tinchen mit dem Kopf an die Decke gestoßen, bis sie sich am Haltegriff festklammerte und auf das nächste Schlagloch wartete. Babyface juchzte jedesmal auf, wenn es durchgeschüttelt wurde, und Florian verzog nur