Huete dich vor deinem Naechsten
Zeit umbringen sollen«, flüsterte er.
Dann klingelte es an der Tür, was ihn so erschreckte, dass er glaubte, einen Stromstoß bekommen zu haben. Er erstarrte in der Hocke neben der Leiche und atmete angestrengt, bis es zum zweiten Mal schellte. Es trat Stille ein, und er wartete. Er hörte es in den Nachbarwohnungen klingeln. Wer immer da unten stand, hoffte darauf, von irgendeinem Bewohner ins Haus gelassen zu werden. Und dann hörte er, wie die Haustür geöffnet wurde und wieder zufiel. Das Geräusch hallte durchs Treppenhaus. Anschließend wurde es erneut still und blieb es so lange, dass er schon anfing, sich zu entspannen.
Erst als der Knauf der Wohnungstür sich drehte, fiel ihm ein, dass er nicht abgeschlossen hatte.
DREIZEHN
I ch entdeckte sie, kaum dass ich das Loft meiner Schwester verlassen hatte. Sie saß in einem unauffälligen Caprice, der auf der anderen Straßenseite parkte, und versuchte, sich hinter einer Zeitung zu verstecken. Aber ich erkannte Jesamyn Breslow an ihren blonden Haaren, und ich konnte auch kurz ihr Gesicht sehen, als sie die Zeitung umblätterte. Deswegen hatte ich so problemlos aus dem Krankenhaus verschwinden können. Sie dachten, ich würde sie zu meinem Ehemann führen.
Ich wäre am liebsten zu ihr gegangen, hätte an die Scheibe geklopft und mich darüber aufgeregt, dass sie mich überwachten, anstatt ihre Arbeit zu machen, ihr gesagt, dass ich auch nicht mehr wusste als sie und lediglich den wenigen Spuren nachging, die ihr Kollege mir verraten hatte. Stattdessen lief ich zur U-Bahn-Station in der Prince Street. Ich hörte die Autotür zufallen und wusste, dass sie mich zu Fuß verfolgte. Ich ging schneller und stieg dann zum U-Bahnhof hinab.
Ein kurzer Blick über die Schulter bestätigte mir, dass sie immer noch hinter mir war. Sie versuchte, auf Abstand zu bleiben und sich hinter der Zeitung zu verstecken. Ich schüttelte sie ab, indem ich mich in einen übervollen Zug nach Uptown quetschte. Ich fuhr eine Station bis zum Astor Place, wo ich die nächste Bahn nahm, die mich zurück nach Downtown brachte. Dann machte ich mich auf den Weg zu Camilla Novaks Apartment an der Kreuzung West Broadway und Broome. Ich hatte SoHo immer geliebt, es war gleichzeitig hip und altmodisch, schick und heruntergekommen - die Galerien und teuren Boutiquen mit den hohen Schaufenstern und immensen Mieten, die schmalen Wohnhäuser und schicken Cafés, die allercoolsten Bars und Restaurants.
Früher für seine Gusseisenarchitektur bekannt, verfügt SoHo bis heute über riesige historische Lagerhallen mit breiten Fensterfronten und großen Räumen. Diese weitläufigen Lofts mit dem natürlichen Licht und der niedrigen Miete zogen vor allem Künstler an. Während der siebziger Jahre missachteten sie die vorgeschriebene Flächennutzung und besetzten die Gebäude illegal. Und die Stadt war zu sehr mit anderen Problemen - einer steil ansteigenden Kriminalitätsrate, einer daniederliegenden Wirtschaft - beschäftigt, um sich darum zu kümmern.
Die meisten Leute waren sich gar nicht bewusst, dass über zweihundertfünfzig Häuserfassaden des Viertels aus Gusseisen bestanden. Für die Architekten stellte es ein kostengünstiges Material dar, das sich in jede beliebige Form bringen und leicht reparieren ließ. Seine Stabilität und Formbarkeit ermöglichte die Herstellung prächtiger, riesiger Fensterrahmen. Leider verzieht Gusseisen sich bei großer Hitze, und Stahl trat an seine Stelle. Das weiß ich alles von Jack, einem waschechten New Yorker.
Als ich die Adresse fand, die ich mir notiert hatte, drückte ich mehrmals fest auf den Klingelknopf. Am Briefkasten stand Novak, Apartment 4 A - nur deswegen wusste ich, welcher Knopf der richtige war. Ich begriff, dass man seinen Nachnamen aus genau diesem Grund nicht neben der Türklingel anbringen sollte.
Als nichts passierte, presste ich meinen Finger wahllos auf andere Klingelknöpfe, in der Hoffnung, irgendjemand würde mich schon hereinlassen. Ich wusste nicht so genau, was ich tun würde, wenn ich einmal im Haus war. Ich funktionierte wie auf Autopilot, handelte instinktiv, ohne zu planen und über den Moment hinauszudenken.
Ich wollte schon aufgeben, als eine Stimme aus der Sprechanlage ertönte.
»Wer ist da?«
»Hier ist Camilla«, log ich. »Ich habe meinen Schlüssel vergessen.«
»Schon wieder!«, schimpfte eine alte Stimme. »Das nächste Mal lasse ich Sie nicht mehr rein!«
Ich hörte den Summer, stieß die Tür auf und
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