Hueter der Daemmerung
ursprünglichen Plan festhalten, dann werden sie nur ein paar Wochen lang hier sein. Deshalb haben wir keine Zeit für solchen Kinderkram. Seb ist hier und damit basta! Entweder vertraut ihr meinem Urteilsvermögen oder nicht. Entscheidet euch.«
»Wir vertrauen dir«, sagte Kara ruhig. »Oder nicht?«
Zustimmendes Gemurmel, Nicken. Sams Miene war düster, doch er sagte nichts. Trish schaute ihn an, ihre sanften Augen blickten besorgt.
»Sam?«, fragte Alex, der ihn ebenfalls beobachtete.
Der Texaner atmete aus. »Ja, okay«, brummte er und strich sich die blonden Haare zurück.
»Gut.« Zu meiner Überraschung beugte Alex sich an mir vorbei zu Seb herüber und streckte ihm die Hand hin. »Hier, sie haben dich akzeptiert, Schwein gehabt.«
Seb lächelte schief, als er sich ebenfalls vorbeugte. »Ja, ich fühle mich geehrt.«
Und als er Alex’ Hand schüttelte, wusste ich zwei Dinge ganz genau – erstens, obwohl das Team Alex vertraute, war es immer noch nicht glücklich über die ganze Angelegenheit. Und zweitens hatte ich, ohne drüber nachdenken zu wollen, tief in mir drin das schreckliche Gefühl, dass es für lange Zeit mein Schicksal sein könnte, zwischen diesen beiden Jungen zu stehen.
14
Der Fitnessraum war klein – eigentlich nur ein Eckchen im Keller mit ein paar Laufbändern, einer Kraftmaschine und einigen Hanteln. Er roch nach Moder und Schweiß. Wenn die Jungs auf den Laufbändern so richtig in Fahrt kamen – hauptsächlich Alex und Sam – dann flogen die Schweißtropfen im wahrsten Sinne des Wortes nur so durch die Gegend. Ich sah, wie Seb den Fußboden musterte. Er war aus Zement und, so vermute ich mal, nicht besonders sauber. Es war aber der einzige Ort, wo wir uns niederlassen konnten. »Wir könnten in mein Zimmer gehen«, schlug er vor.
Sebs »Zimmer« war winzig. Das hieß, wir hätten beide auf dem Feldbett sitzen müssen. Die Vorstellung war viel zu intim, ganz besonders nach dem Auren-Gemenge vom Abend zuvor. »Nein, hier drin ist es besser«, sagte ich. »Wir haben mehr Platz. Aber warte mal.« Ich rannte die Treppe hinauf, schnappte mir die Kissen vom Sofa im Fernsehraum und schleppte sie nach unten.
»So«, sagte ich, als wir sie ausbreiteten. »Das ist super.« Über unseren Köpfen war das Schießtraining in vollem Gange. Kara war in der Kathedrale, so wie sie und Alex es besprochen hatten, um zu sehen, was sie herausfinden konnte. Und alle anderen trösteten sich unterdessen damit, im Umgang mit der Waffe so gut wie irgend möglich zu werden.
Am Abend vorher war es Alex und mir gelungen, uns ein wenig unter vier Augen zu unterhalten, während die anderen sich bettfertig machten oder Fernsehen schauten. Als ich im anderen Lagerraum an der geschlossenen Tür gelehnt hatte, war mir deutlich bewusst gewesen, wie stark Seb meine Gedanken beherrschte, was nur daran lag, dass auch er ein Halbengel war. Aber obwohl ich das wusste, fühlte ich mich schuldig.
»Das war ein seltsamer Tag, oder?«, hatte ich gesagt und mich geräuspert.
»Ja, und das ist noch untertrieben«, hatte Alex zugestimmt. Ich konnte seine verkrampften Muskeln spüren, obgleich wir uns nicht berührten. »Gott – ein Halbengel und das Konzil an ein- und demselben Nachmittag.«
Ich versuchte zu lächeln. »Hey, hast du was gegen Halbengel?«
Ich sah, wie er zusammenzuckte, als ihm aufging, was er da gesagt hatte. Er schüttelte den Kopf. »Gegen diesen hier nicht«, sagte er, nahm meine Hand und zog mich zu sich. »Diesen hier mag ich sogar richtig gern.« Er legte die Arme um meinen Hals und ließ seinen Kopf an meinen sinken. »Hör zu, ich bin wirklich froh, dass er hier ist. Ich will doch nur, dass dir nichts passiert, Willow.«
Und alles, was ich wollte, war, ihn so fest zu halten, wie ich konnte. Ich zögerte. Immer noch machte ich mir Sorgen wegen des Angelburn- Syndroms . Manchmal, so wie vorhin, als ich ihn geküsst hatte, glaubte ich, ich müsse verrückt geworden sein, weil ich überhaupt darüber nachdachte. Doch zu anderen Zeiten wurde die Angst in meinem Inneren zu einem Ozean aus Eis. Dann hatte Alex mich sanft an seine Brust gezogen und ich hatte nachgegeben. Wir hatten an der Wand gelehnt und uns lange im Arm gehalten, während der Rest der Welt langsam entschwunden war. Nichts schien mehr zu zählen, außer Alex’ Arme, die mich umfingen.
Jetzt, als ich mit Seb im Fitnessraum im Keller saß, hoffte ich verzweifelt auf eine Erklärung dafür, was mit meinem Engel geschehen
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