Hueter der Daemmerung
war. Perverserweise schien sie sich ein wenig beruhigt zu haben, seit ich ihn getroffen hatte, aber ich war mir ihrer Gegenwart immer noch sehr bewusst – und mir war auch klar, dass ich keine Ahnung hatte, was sie möglicherweise anstellen würde.
Seb und ich ließen uns, mit etwas Abstand zueinander, auf den großen quadratischen Sofakissen nieder. Er trug wieder ausgeblichene Jeans und ein blaues T-Shirt mit einem verwirbelten weißen Logo auf Spanisch. Die Wörter sahen leicht bröckelig aus, so als wären sie schon einmal zu oft in die Wäsche gewandert.
»Was steht auf deinem T-Shirt?«, fragte ich.
Er sah an sich herunter, als könne er sich nicht daran erinnern. »Cinco de Mayo – das ist der Tag, an dem wir die Franzosen aus Mexiko verjagt haben.«
»Die Franzosen waren in Mexiko?«
»Das ist schon lange her.« Seb zuckte mit den Schultern. »Ich habe es auf einem Markt gekauft.«
Ich nickte. Mir ging auf, wie wenig ich über dieses Land wusste. In der Schule wurde es eigentlich nicht behandelt, was irgendwie seltsam war, wenn man darüber nachdachte -Mexiko war so nah.
Dann, mein Blick war immer noch auf Seb geheftet, bemerkte ich eine Veränderung. »Hey, du hast dich ja rasiert«, sagte ich. Heute sah er weniger wie ein Rockstar aus, eher wie ein Schauspieler, der in einer Schulserie den zum Anbeißen süßen Neuling spielt.
Verlegen berührte er sein Kinn. »Ja, das letzte Mal war wohl schon eine Weile her.«
»Ich glaube, vorher hast du mir besser gefallen«, sagte ich und betrachtete ihn aufmerksam. Und hätte mir sofort auf die Zunge beißen können. Ich hatte es einfach so dahingesagt, aber seine haselnussbraunen Augen leuchteten entzückt auf. Er grinste, als ich rot wurde.
»Ich rasiere mich nie wieder«, erklärte er.
Ich zog eine Grimasse und war mir darüber im Klaren, dass mein Gesicht tomatenrot angelaufen war. »Seb, hör mal … du weißt, dass Alex und ich zusammen sind, oder? Ich meine … ich mag dich, aber …«
»Ja, das weiß ich«, sagte er ruhig. »Ist schon in Ordnung.« Ich hatte das Gefühl, dass er irgendein tieferes Gefühl vor mir verbarg. Doch dann lächelte er und fuhr sich erneut mit der Hand über das Kinn. »Aber, weißt du … wenn du meinst, sich nicht zu rasieren könnte hilfreich sein …«
Zu sagen, dass ich nicht daran gewöhnt war, dass Jungs ihr Interesse an mir so deutlich zeigten (selbst auf humorvolle Art und Weise), wäre die Untertreibung des Jahrhunderts. Ich war ja nicht einmal daran gewöhnt, dass Jungs überhaupt ein Interesse an mir hatten, schon gar keine Jungs, die aussahen wie Seb. Zu Hause in Pawntucket war ich immer Miss Merkwürdig gewesen, die Außenseiterin der Schule. Ich öffnete den Mund. Dann schloss ich ihn wieder, während ich überlegte, was ich sagen sollte.
Seb bemerkte, dass ich mich unwohl fühlte, und der schelmische Ausdruck in seinen Augen verschwand. »Willow, das war nur ein Witz«, sagte er. »Ich meine – ja sicher, ich wäre gern mehr als nur mit dir befreundet, das war kein Witz. Aber ich weiß, dass du Alex liebst. Wenn du nicht mehr als Freundschaft willst, dann ist das in Ordnung. Wirklich.«
Ich rutschte auf dem Kissen herum. Meine Wangen glühten immer noch, insbesondere angesichts dessen, was ich glaubte, am Vortag bei ihm gespürt zu haben – die tiefen Gefühle, die er für mich hegte. Zum Glück bemerkte ich momentan nichts davon. Allerdings suchte ich zugegebenermaßen auch nicht sonderlich eifrig danach. Wenn die wahnwitzige Chance bestand, dass ich recht gehabt hatte, wollte ich auf keinen Fall etwas davon wissen.
»Bist du sicher, dass das für dich in Ordnung ist?«, fragte ich.
»Ja«, antwortete Seb. Sein einer Mundwinkel zuckte. »Mein ganzes Leben lang habe ich nach einem anderen Halbengel gesucht. Glaub mir, ich denke ja gar nicht daran, wieder abzuhauen, bloß weil dir noch nicht klar geworden ist, dass du mir nicht widerstehen kannst.«
Meine Augenbrauen schossen in die Höhe. »Noch nicht?«
»Das war auch ein Witz«, sagte er hastig. »Ich meine – na ja, nein. Natürlich hoffe ich, dass dir das irgendwann klar wird, aber …« Er lachte ein bisschen, brach ab und schlug kopfschüttelnd eine Hand vors Gesicht. »Ah, caramba. Ich mache meine Sache nicht besonders gut, oder?«
Jetzt musste ich auch lächeln. Seb ließ die Hand sinken. »Okay, noch mal ganz von vorne«, sagte er. »Willow, einfach nur bei dir zu sein – dein Freund zu sein – das reicht mir. Versprochen.«
»Bist
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