Hueter der Daemmerung
Konservendosen geballert, so Zeug eben. An dich reiche ich nicht heran, aber ich könnte wahrscheinlich jemanden erledigen, der auf mich losgeht. Oder auf Willow«, fügte er hinzu.
Alex verzog das Gesicht. Warum fand er das nicht gerade beruhigend? »Und mit dem Messer bist du besser? Ich nehme doch an, du hast eins.«
»Ja und ja.« Seb zog ein Bein an und legte einen Unterarm auf sein Knie. Der Ausdruck, mit dem er Alex musterte, war zwar nicht wirklich freundlich, aber verständnisvoll. »Pass auf - du musst dir echt keine Sorgen machen«, sagte er. »Wenn Willow bei mir ist, werde ich auf sie aufpassen. Niemand wird ihr auch nur ein Härchen krümmen, solange ich noch am Leben bin.«
»Ja, das weiß ich«, gab Alex zu. Und er wusste es wirklich -das war das Gute daran, dass Seb Willow ebenso sehr liebte wie er selbst. Das einzig Gute, um genau zu sein.
Gerade da kam Willow wieder nach unten. Sie beäugte sie mit angehobenen Brauen, als wüsste sie, dass sie über sie geredet hatten, gab aber keinen Kommentar ab. »Das sollte reichen. Sie waren total schwarz«, sagte sie, als sie sich dranmachte, die Zündkerzen wieder einzusetzen. »Solche Zündkerzen und eine Plastiktüte im Luftfilter – kein Wunder, dass die Shadow so lahm war … sie hat ja kaum noch Luft gekriegt, das arme Ding.«
Alex lächelte. Doch er konnte nicht vergessen, worüber er und Seb gerade gesprochen hatten. Er fühlte sich unwohl und er fragte sich, was Willow denken würde, wenn sie davon wüsste. Unterdessen begannen Essensdüfte aus der Küche herüberzuziehen – er konnte Liz dort drinnen herumgehen hören.
Seb stand auf und reckte sich stumm. Sein T-Shirt rutschte hoch, und Alex erhaschte einen Blick auf eine weitere Narbe auf Sebs flachem Bauch – diese war wulstig und hässlich, wie ein gekrümmter Wurm.
Als Seb die Arme wieder sinken ließ, warf Willow ihm einen spöttischen Blick zu. »Und? Bist du nicht glücklich, dass du das Rauchen aufgegeben hast?«, fragte sie mit Unschuldsmiene.
Seb schüttelte ganz leicht den Kopf. »Dir entgeht wohl gar nichts«, sagte er.
Willow fing an, die Abdeckung des Luftfilters wieder einzusetzen. Geschickt hantierte sie mit dem Schraubenzieher. »Na, das ist ja auch nicht besonders schwierig. Du lechzt nur so nach Nikotin, Kumpel.« Sie hatte einen kleinen Fleck Zündkerzenschmiere auf der Wange. In Kombination mit ihren kurzen Haaren verlieh er ihr das Aussehen eines Gassenjungen, sodass Alex sie am liebsten in den Arm genommen hätte.
Er sah den warmen Blick in Sebs Augen. Dann seufzte Seb pseudoergeben auf. »Vielen Dank für dein Mitgefühl, sehr tröstlich. Ich gehe schnell duschen, bevor es Abendessen gibt. Falls wir hier fertig sind?«, fragte er Alex.
Alex nickte. Und als Seb davonging, konnte er nichts anderes denken als: Willow konnte spüren, dass Seb nach Nikotin lechzte, aber nicht, dass er in sie verliebt war? Wenn es sogar für ihn, der selber nicht im Entferntesten hellsehen konnte, klar wie Kloßbrühe war? Unmöglich, dachte er und sah sie an. Aus irgendeinem Grund will sie der Tatsache einfach nicht ins Auge blicken.
Warum nicht? Wollte sie sich damit irgendwie schützen? Müsste sie sich, wenn sie die Tiefe von Sebs Gefühlen zur Kenntnis nahm, vielleicht ihre eigenen Gefühle eingestehen?
Der Gedanke kam aus dem Nichts und fuhr ihm eiskalt in die Magengrube. Nie und nimmer. Er wusste, dass das nicht stimmte.
Aber Willows glühende Wangen auf dem Balkon. Ihre Hand auf Sebs Arm. Du sperrst mich aus. Ich fühle es.
Willow hob den Blick vom Motorrad und linste zu ihm hinauf. »Und, worüber habt ihr gerade geredet, du und Seb?«
Die Antwort rutschte ihm einfach so heraus. »Konntest du das nicht aus seinen Gedanken herauslesen?«
Sie schloss kurz die Augen, dann sah sie ihn fest an. »Ich habe es gar nicht versucht. Es läuft nicht alles per Gedankenübertragung zwischen uns, stell dir vor. Es sind mehr so Gedankenblitze, manchmal, wenn wir miteinander sprechen.«
»Okay«, sagte er. Er hatte das Gefühl, als hätte sich etwas Hartes, Eisigkaltes in sein Inneres gebohrt. Er sammelte eine Schraube vom Boden auf und drehte sie zwischen den Fingern hin und her. »Es schien aber ein bisschen mehr zu sein, als nur ein Gedankenblitz. So wie ihr euch in die Augen geschaut habt.«
Sie berührte seine Hand. »Alex … er ist einfach nur ein Freund für mich, mehr nicht. Und das weißt du auch.«
In welcher Welt lebst du denn? Der Typ will in hundert Jahren nicht
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