Hueter der Daemmerung
einfach nur dein Freund sein. Alex sprach es nicht aus. »Ja, weiß ich«, sagte er. »Es ist nur eine ziemlich intensive Freundschaft, oder?«
Sie erstarrte. »Ja?«
Er zuckte mit den Schultern und legte die Schraube weg. »Ihr guckt euch gegenseitig in die Köpfe. Unterhaltet euch andauernd.«
»Wir unterhalten uns nicht andauernd. Aber ja, wahrscheinlich unterhalten wir uns schon ziemlich oft.« Willow ließ seine Hand los. »Hör mal, es geht doch nur darum, mit einem anderen Halbengel zusammen zu sein, und dass wir beide Gedankenlesen können. Ich nehme an, deshalb besteht eine spezielle Bindung zwischen uns, ohne dass wir überhaupt darüber nachdenken.«
»Er bedeutet dir wirklich viel.«
Ihre grünen Augen blickten ihn unverwandt an. »Natürlich.«
»Was ich eigentlich damit sagen will: Er bedeutet dir nicht nur viel, weil er ein Halbengel ist, sondern weil er er ist.« Jesses, was war bloß in ihn gefahren? Warum konnte er verdammt noch mal nicht einfach die Klappe halten?
»Alex, würdest du bitte …« Willow brach ab. Sie sah frustriert aus. »Ja, okay? Seb bedeutet mir sehr viel. Er würde mir selbst dann viel bedeuten, wenn er kein Halbengel wäre. Dass er es ist, verstärkt die Verbindung nur. Aber keinesfalls …« Fast zornig machte sie sich mit dem Schraubenzieher wieder über die Abdeckung her. »Ich will nicht, dass du dich ausgeschlossen oder nicht beachtet fühlst. Ich liebe dich. Meine Freundschaft mit Seb hat mit unserer Beziehung nichts zu tun.«
»Nein, außer dass es sich mitunter so anfühlt, als wären wir zu dritt.« Das hatte er schon seit Wochen gedacht, es war eine Erleichterung, es endlich auszusprechen.
»Alex!«
»Na ja, tut mir leid, aber ist doch wahr. Merkst du gar nicht, dass du fast überhaupt keine Zeit mehr für mich hast? Wir hatten schon vorher kaum Zeit füreinander, und jetzt sogar noch weniger. Und sogar wenn wir allein sind …«
Ihre Augen waren ganz groß geworden. »Sogar wenn wir allein sind, dann was?«
»Denkst du dauernd an ihn.«
»Ich –« Sie unterbrach sich abrupt, wurde rot. Verlegen senkte sie den Blick. Er sah, wie sie schluckte.
Alex starrte sie an. Er hatte darüber nachgedacht, hatte aber nicht richtig daran geglaubt. Er hätte erwartet, sie würde ihm sagen, wie lächerlich er sich benahm. »Es stimmt also, oder?«, sagte er langsam. »Wenn wir allein sind, denkst du immer noch an ihn. Denkst du auch an ihn wenn wir –«
»Nein!«, entfuhr es ihr. »Mein Gott, natürlich nicht! Wie kannst du so was sagen?«
»Na ja, ich weiß eben nicht, was ich denken soll! Gib mir doch mal einen Tipp. Wie genau denkst du denn an Seb, wenn wir zusammen sind?«
»Ich denke nicht an Seb! Da ist – zwischen uns besteht eine Art Verbindung, das ist alles. Ich kann einfach sehen, was er macht, oder wo er sich aufhält …« Sie geriet ins Stocken.
»Sag das noch mal.« In seinen Ohren dröhnte es. »Du hast eine Verbindung zu ihm? Du kannst sehen, was er macht? Egal was?«
»Nicht die ganze ZEIT’. Nur – ab und zu, und ganz kurz.«
»Zum Beispiel wenn du an ihn denkst«, sagte er bissig und sah ihre Wangen noch röter werden. »Und was ist mit ihm? Hat er auch so eine Verbindung zu dir? Kann er auch alles sehen, was du tust?«
»Alex, du machst dir völlig falsche Vorstellungen. Ich verspreche dir …«
»Antworte mir!«
»Ich weiß es nicht!«, stieß sie hervor. »Ich habe ihn nicht gefragt.«
»Dann sag mir einfach, was du glaubst«, knirschte er. »Ja oder nein – klappt das bei dir auch, kann er dich sehen?«
An der Abdeckung fehlte nur noch eine Schraube. Willow stieß sie hinein. Der Schraubenzieher in ihrer Hand zitterte, sie biss die Zähne zusammen. »Ich will mit dir jetzt nicht darüber reden. Du bist viel zu aufgebracht.«
»Oh Mann, das ist noch nicht mal annähernd ›aufgebracht‹. Das heißt Ja, oder? Du erzählst mir, dass er lediglich an dich zu denken braucht, und schon sieht er alles, was du machst?«
Sie sah aus, als wäre sie den Tränen nahe, aber auch wütender, als er sie jemals erlebt hatte. »So ist das nicht! So wie du das sagst, klingt es total schmutzig oder so.«
»Tja, tut mir leid – hier geht’s ja nur um reine Freundschaft, stimmt’s? Wenn du also jetzt an Seb denkst, der gerade duscht –«
Sie schleuderte das Werkzeug in den Werkzeugkasten und sprang auf. »Hör auf damit!«, fuhr sie ihn an. »Du führst dich auf wie ein Verrückter. Welchen Teil von wir sind nur gute Freunde verstehst du
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