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Hueter der Daemmerung

Hueter der Daemmerung

Titel: Hueter der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. A. Weatherly
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ich.
    Dann, als der Verkehr sich wieder in Bewegung setzte, fiel mir etwas ein. Ich hob die Stimme, um den Lärm zu übertönen. »Warte mal, können wir zu diesem Platz fahren, von dem ich geträumt habe?«
    »Ja, ich denke schon«, rief Alex nach einer kurzen Pause zurück. Ich wusste, dass er an die jagenden Engel dachte, die ich in meinem Traum gesehen hatte, und von der Idee nicht gerade begeistert war, aber er erhob keine Einwände.
    Es war kurz vor Sonnenuntergang und der Smog verlieh dem Himmel ein spektakuläres Aussehen: Wilde Schlieren in Rot und Pink trieben durch das Grau der heraufziehenden Dämmerung wie schillernde Ölflecken auf einer Wasseroberfläche. Selbst wenn ich sie nicht hätte sehen können, hätte ich gemerkt, dass es in der Stadt von Engeln wimmelte – an so gut wie jeder Straßenecke waren die silbernen und blauen Schilder der Church of Angels an Hauswände gepinselt wie riesige Werbetafeln. Und viele Menschen waren sichtlich krank. Als Alex an einer weiteren Ampel hielt, beobachtete ich, wie eine junge Frau auf dem Gehweg stehen blieb und sich Halt suchend an eine Straßenlaterne klammerte. Es konnte natürlich Zufall sein. Vielleicht war ihr einfach nur schwindelig geworden. Aber ich bezweifelte es. Und wenn es hier jetzt schon so schlimm war, wie würde es erst in ein paar Wochen sein? Nachdem auch die Zweite Welle inzwischen eingetroffen war. Ich biss mir auf die Lippe. Der Gedanke war schrecklich.
    Ganz allmählich rückte eine wuchtige Kathedrale in unser Blickfeld. Düster überragte der Steinquader die anderen Gebäude. Zwei verschnörkelte Glockentürme flankierten eine Kuppel, auf der auf einem Bein ein goldener Engel balancierte. In den Händen hielt er eine Girlande, die er gen Himmel reckte.
    Ich merkte, wie Alex die Muskeln anspannte. Als wir abermals an einer roten Ampel stehen blieben, fuhr er zu mir herum. »Ich fass es nicht – dieser Engel ist die berühmteste Statue von Mexico City! Er hat immer auf einer Säule an der Paseo de la Reforma gestanden und jetzt plötzlich ist er da oben auf der Catedral Metropolitana.«
    »Der was?«
    »Der Kathedrale von Mexico City«, sagte er. Er presste die Kiefer zusammen. »Das ist die älteste Kathedrale in ganz Amerika – sie steht hier seit vierhundert Jahren. Und ich habe das ungute Gefühl, dass sie seit Neuestem zur Church of Angels gehört.«
    »Oh«, erwiderte ich matt. Das … schien mir kein gutes Zeichen zu sein.
    »Na ja, auf jeden Fall liegt sie am Zócalo. Wir sind fast da. Und, weißt du was?«, fügte Alex hinzu und deutete mit dem Kopf auf ein leuchtend buntes Plakat an einer Straßenlaterne. »Auf dem Schild dort drüben steht, dass heute Abend ein Konzert mit dem Motto ›Liebt die Engel‹ auf dem Platz stattfindet.«
    Ich begegnete Alex’ Blick und ich wusste, dass wir beide an die tanzende Menschenmenge aus meinem Traum dachten. Ein furchtbares Gefühl der Unvermeidlichkeit überkam mich -Déjà-vu hoch zehn. Genau wie damals, als mir klar geworden war, dass ich zur Church of Angels in Schenectady fahren musste, um den Versuch zu unternehmen, Beth zu helfen. Der Vergleich war nicht gerade tröstlich, hatte doch die versammelte Gemeinde versucht, mich umzubringen. Ich war ihnen nur knapp entkommen.
    »So«, sagte Alex. Er hatte sich wieder nach vorne gedreht und sprach lauter, als der Verkehr zu fließen begann. »Wir sollten wohl hingehen und uns das Spektakel ansehen.« Ich merkte, dass er an seine Pistole dachte und daran, wie viel Munition er noch hatte.
    Ich räusperte mich. »Ja«, rief ich ihm zu. »Sollten wir wohl.«
    Ein Cabrio voller Leute, die Engelsflügel trugen, zog hupend an uns vorbei. Wir bogen in dieselbe Straße ein wie sie. Sie führte zum Zócalo. Als der Platz in Sicht kam, starrte ich ihn an, verblüfft über die Genauigkeit meines Traums. Der Zócalo war riesig und die Menschen strömten zu Tausenden auf die weite Fläche.
    Und genau wie in meinem Traum war an einem Ende, vor der Kathedrale, eine Bühne aufgebaut, die in helles Flutlicht getaucht war. Es gab Imbissbuden, und fliegende Händler, die Engelsflügel verkauften, schoben sich durch die Menge. Sie hielten die fedrigen weißen Bündel in die Höhe wie überdimensionale Pusteblumen.
    Es sah nicht so aus, als dürfe man in den Straßen rund um den Platz parken, aber die Leute taten es trotzdem. Auch Alex fuhr rechts ran und quetschte die Shadow neben ein Auto. Wir stiegen ab.
    Wir standen vor dem lang gestreckten, offiziell

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