Hüter der Flamme 02 - Das Schwert des Befreiers
schwerer für mich.«
Er öffnete die Augen wieder und wandte sich tränenüberströmt an Karl. »Karl Cullinane, ich biete Euch meinen ältesten Sohn als Lehrling an, mein Herr, damit er lernt, wie man mit Schwert, Armbrust und Faust umgeht. Als Entgelt biete ich mein Pferd, dieses Gold, dieses Schwert und die Dienste meines Sohnes — für fünf Jahre.«
Karl schaute zu Rahff hinunter. Im weißen Gesicht des Jungen war nichts zu lesen. »Rahff?«
»Es ist nicht seine Wahl, Karl. Ich bin der Vater des Jungen.«
Karl sah Furnael nicht an. »He, Rahff! Willst du mein Lehrling sein?«
Rahff biß sich so auf die Unterlippe, daß sie blutete, und schaute zu seiner Mutter, dann zu seinem Vater und wieder zu Karl. Langsam ging er zu ihm, streckte ihm Schwert und Beutel mit zitternden Armen entgegen. »Es ist ... der Wunsch meines Vater, Herr.«
»Aber ist es auch deiner?«
Rahff schaute Vater, Bruder, Mutter und Bren an. Heldenverehrung war eine Sache; die Heimat und die Familie zu verlassen, eine andere.
Bren nickte. »Tu's! Wenn du bleibst, würden wir bald Feinde sein und uns nach dem Leben trachten.«
»Und wenn ich gehe? Welchen Unterschied macht das?«
»Ich weiß nicht. Aber wir gewinnen dadurch fünf Jahre Aufschub, fünf Jahre, bis ich dich töten muß oder du mich.« Bren umklammerte Rahffs Schulter. »Fünf Jahre wenigstens!«
Rahff schluckte. Dann: »J-j-a. Würdet Ihr mich als Lehrling annehmen, Karl Cullinane?«
Karl blickte mit einem neuen Gefühl der Bewunderung auf Baron Zherr Furnael. Es gehörte schon etwas dazu, daß ein Mann seine eigenen Grenzen einsah, die Wahrscheinlichkeit seiner Vernichtung akzeptierte und plante, zumindest einen Teil seiner Familie vor dem Ansturm der Schwerter und Bolzen zu schützen, der ihn mit Sicherheit töten würde.
Vielleicht nicht nur einen Teil der Familie. Vielleicht hatte Furnael andere Pläne für Thomen und Lady Beralyn.
Rahff zu einem Gesetzlosen ausbilden zu lassen, war eine kaltblütige Tat; aber deshalb war sie nicht falsch. Wenn Rahff diese Lehre überlebte, war er vielleicht stark genug, die Baronie, vielleicht sogar ganz Bieme, während der kommenden Jahre zusammenzuhalten.
Und was ist, wenn er stirbt, Zherr Furnael? Wir begeben uns in gefährliche Situationen. Was ist, wenn er nicht schnell genug ist oder nicht genug Glück hat, zu überleben?
Karl sprach diese Fragen nicht laut aus. Die Antwort lag auf der Hand. Wenn Rahff nicht die fünf Jahre Lehrzeit überleben konnte, war er nicht der Herrscher, den die Baronie brauchte.
Zherr Furnael würde entweder einen würdigen Nachfolger oder einen toten Sohn haben. Kein sehr angenehmes Spiel.
Aber welche andere Wahl haben sie denn? Karl nahm das Schwert und den Beutel auf seinen Handflächen in Empfang. »Ich nehme dich, Rahff, als meinen Lehrling an. Du kannst in Ruhe deiner Familie und deinen Freunden Lebewohl sagen. Wir brechen morgen früh auf. Ach ja, du kannst im Gasthaus schlafen, wenn dir das lieber ist.« Er band den Beutel vom Schwert und empfing vom Baron die Scheide.
»Ich bleibe lieber hier.«
»Du bist sein Lehrling, Junge.« Die Stimme Furnaels klang beinahe wie das Knurren eines Tieres. »Du wirst im Gasthaus schlafen.«
Karl richtete sich auf. »Ich wäre Euch dankbar, wenn Ihr Euch bei meinem Lehrling nicht einmischen würdet, Baron. Ich ließ ihm die Wahl, nicht Euch.« Dann nahm er zwei Kupfermünzen aus seinem eigenen Beutel, legte sie auf den Tisch und sagte: »Das sollte für seine Unterbringung reichen. Er wird die Nacht verbringen, wie er will.«
Dann steckte er das Schwert in die Scheide und gab beides dem Jungen. »Paß gut darauf auf, Rahff. Du wirst viele schwere Stunden verbringen, bis zu gelernt hast, es zu benutzen.«
Und möge Gott deiner Seele gnädig sein.
Der Junge nickte ernst.
»Aber ich glaube, du wirst deine Sache gut machen.«
Ein Lächeln stahl sich durch Rahffs Tränen.
Und durch Furnaels.
Kapitel zehn
Nach Ehvenor
Übung ist die beste Lehrmeisterin.
Publius Syrus
Sie ritten auf Ehvenor zu. Die große Wasserfläche des Zirrischen Sees lag vor ihnen und kräuselte sich hinten am Horizont. In der Ferne konnte Karl die Regenbogensegel einer breitmastigen Schaluppe sehen, die auf den Hafen zusteuerte.
Zehn, vielleicht zwölf kleine Schiffe drängten sich an Ehvenors Docks. Wie die Ameisen waren die Seeleute damit beschäftigt, die Ladung an Bord zu bringen oder auszuladen. Auf der Hafenseite des Wellenbrechers lagen drei große Schiffe vor
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