Hüter der Flamme 02 - Das Schwert des Befreiers
Anker. Ein halbes Dutzend Barkassen umschwärmten sie wie Pilotfische einen Hai.
Die niedrigen Steingebäude Ehvenors standen flach und häßlich um den Hafen herum. Die Straßen waren eng, krumm und voll von Abfällen. Ganz Ehvenor sah wie ein großer Slum aus.
Es gab nur eine Ausnahme: Ein zylinderförmiges Gebäude, anscheinend drei oder vier Stockwerke hoch, stand im Zentrum der Stadt wie eine Rose auf einem Misthaufen. Es schimmerte weißlich.
Karl rieb sich die Augen. Die Umrisse des Gebäudes waren nicht deutlich zu erkennen. Die Kanten und Einzelheiten verschwammen vor seinen Augen, als könnte er nicht scharf sehen.
»Ahira?«
Der Zwerg schüttelte den Kopf. »Meinen Augen scheint es auch nicht zu bekommen.«
»Glaubst du, daß das die Faerie-Niederlassung ist, oder die Botschaft oder wie sie es nennen?«
»Was sollte es denn sonst sein? Ich bezweifle, daß die Einheimischen etwas aus Nebel und Licht bauen können.«
Karl nickte. »Ich würde gern wissen, wie sie das machen.«
»Schon mal was von Zauberei gehört?« Danach schwieg Ahira.
Karl sah sich reflexbedingt nach den anderen um, die hinter ihm ritten. Alles in Ordnung. Karl klopfte Karottes Hals. »Ich bin gespannt, wie du dich auf einem Schiff benehmen wirst.«
Werden Pferde seekrank?
Und wie stand es mit den anderen? Chak, Tennetty und Rahff waren noch nie auf einem Schiff gewesen. Fialt würde kein Problem sein. Er war ein Salke, und anscheinend verbrachten alle auf Salket viel Zeit auf See. Ahira war zum Glück kein Problem. Ein kotzender Zwerg war auch keine erstrebenswerte Gesellschaft. Und Aeia war eine Mel. Laut Chak wurden in Melawei alle praktisch auf See gezeugt.
Also schlimmstenfalls werden wir vier »Brecher« unter uns haben. Wahrscheinlich bin ich dabei.
Karl rieb sich den Bauch. Vielleicht ist es dieses Mal anders. Lieber Gott, bitte, laß es dieses Mal anders sein. Sein einziges anderes Mal war an Bord der Gannes' Stolz gewesen. Die Überfahrt von Lundeyll nach Pandathaway auf der Stolz gehörte nicht zu Karls Lieblingserinnerungen. Die ersten Minuten hatte er damit verbracht, sein Frühstück wieder von sich zu geben, die nächsten Stunden damit, Essen zu erbrechen, von dem er sich nicht mehr erinnern konnte, es je gegessen zu haben. Die meiste Zeit der restlichen Fahrt hatte er nur noch trocken gewürgt.
Ahira lachte leise.
»Was ist los?« Karl schaute auf den Zwerg hinunter. »Findest du Seekrankheit lustig?«
Der Zwerg schüttelte den Kopf. »Nein, an Seekrankheit habe ich wirklich nicht gedacht.«
»So, findest du meine Angst davor, wieder auf ein Schiff zu gehen, lustig?«
Ahira warf ihm einen finsteren Blick zu. »Deine Nervosität? Karl, weißt du überhaupt, was Nervosität vor einer Schiffsfahrt ist?«
Das war merkwürdig. Ahira hatte auch nicht die Spur von Seekrankheit gezeigt, als sie an Bord der Ganness' Stolz gewesen waren. »Dann müssen wir dich ja ›Eisenmagen Ahira‹ nennen, so gut hast du deine Seekrankheit geheimgehalten.«
»Nein. Ich war nicht seekrank. Es gibt noch andere Probleme«, sagte der Zwerg. »Denk es mal durch, Karl!«
»Nun?«
»Wieviel wiegst du?«
»Was? Was hat das denn damit zu tun?«
»Eine einfache Frage. Wieviel wiegst du?«
»Na ja, etwas über zwei Zentner auf dieser Seite, zu Hause vielleicht...«
»Und wieviel wiege ich?«
»Etwa genausoviel, schätze ich.« Ein Zwerg war anders als ein Mensch gebaut. Ahiras Körper war nicht nur kürzer und überproportional breiter als Karls, seine Muskeln und Knochen waren auch dichter.
Dichter. »Ach, daran habe ich nicht gedacht.« Ein menschlicher Körper war im großen und ganzen leichter als Wasser, von geringerer Dichte. Aber der Zwerg ... »Wenn du über Bord fällst, wirst du wie ein Stein sinken, stimmt's?«
»Genau. Ich könnte in fünf oder sechs Fuß tiefem Wasser ertrinken. Das ist doch wohl sehr viel ernster als die Sorge, möglicherweise zu kotzen, oder?«
»Aber was war daran so lustig?«
Ahira lächelte. »Du hast an Schiffe gedacht, ich an Städte.«
»Na und?«
»Denk mal nach. Was war die erste Stadt, mit der wir es auf dieser Seite zu tun hatten?«
»Lundeyll. Da sind wir gerade noch lebendig herausgekommen.« Nicht alle hatten es geschafft. Jason Parker war in Lundeyll gestorben, zappelnd auf einer Speerspitze. Wenn ich die Zeit habe, werde ich eines Tages Lordling Lund einen Besuch abstatten und ihm seine Finger zu fressen geben, jedes Glied einzeln.
»Genau! Wir haben Lundeyll höchstens
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