Hüter der Flamme 02 - Das Schwert des Befreiers
ein Seemann, ein Sklave und ein Bauer. Und vor seinem Ende ein freier Mann. Aber das ist schon alles.
Beinahe alles ...« Karl hielt die Reling so fest, daß seine Knöchel weiß wurden.
»Zweimal hatte ich Gelegenheit, einen Blick durch die Mauer zu tun, die er zwischen sich und dem Rest der Welt aufgebaut hatte. Ich glaube nicht, daß Fialt es mir übelnehmen würde, euch offen davon zu berichten.
Das erste Mal war es während eines Trainings. Er hatte etwas sehr gut gemacht und ich sagte zu ihm ›Aus dir werden wir schon noch einen Krieger machen, wenn du so weitermachst.‹ Da drehte er sich um, schüttelte den Kopf und antwortete: ›Ich will nur ein Mann werden, der sich, seine Freunde und sein Eigentum schützen kann, mehr will ich nicht werden ...‹
Das zweite Mal war gestern abend. Fialt mußte gewußt haben, daß er nicht gut genug war, es allein mit einem Schwertkämpfer aufzunehmen. Er hätte auf Ahiras Signal warten müssen. Aber er hat nicht gewartet.« Karl packte den Toten an der Schulter. »Warum hast du nicht gewartet, Fialt? Verdammt noch mal, warum hast du nicht gewartet ...?« Karl versagte die Stimme, seine Augen wurden feucht. Er holte tief Luft und zwang sich, weiterzumachen.
»Ich ... nehme an, daß uns das etwas Wichtiges über unseren Freund sagt. Tugend und Untugend in einem. Mir wird seine Tugend fehlen und seine Untugend, vor allem aber Fialt selbst, dessen Körper wir jetzt dem Zirrischen See übergeben.«
Er legte ihm noch einmal die Hand auf die Schulter und trat dann zurück. Tennetty, Chak und Ahira hoben ihr Ende der Planke. Der Körper rutschte herunter und fiel in das blaue Wasser und sank immer tiefer.
Chak zog sein Krummschwert, hob es an die Stirn als Salut.
Ahira tat es ihm mit der Streitaxt nach.
Tennetty starrte mit geröteten Augen und leerem Blick auf die Wellen.
Karl zog sein Schwert und balancierte es auf den Handflächen. »Ich verspreche dir: Du wirst gerächt werden, Fialt.« Dann steckte er das Schwert wieder in die Scheide. »Vielleicht irre ich mich; aber ich hoffe, daß du es so wollen würdest.«
Kapitel zwölf
Die Wächter des Schwertes
Ich bin hier schon gewesen,
aber wann oder wie kann ich nicht sagen.
Ich kenne das Gras hinter der Tür
den süßen, frischen Duft
das seufzende Geräusch,
die Lichter am Strand.
Dante Gabriel Rossetti
Karl stand am Bug der Warzenschwein und hielt sich an der Reling fest, als der Kutter über die sanft dahinrollenden Wellen auf die enge Durchfahrt zusteuerte, hinter der eine Lagune lag. Über ihm luvte der Klüver an den Wind, unter ihm plätscherten die Schaumkronen gegen die Schiffswand.
Sanfte Wellen schlugen an einen Sandstrand. Seeschwalben zogen im königsblauen Himmel hoch oben ihre Kreise, stießen herab und holten sich kleine Fische aus dem blauen Wasser, um dann mit ihrer zappelnden Beute im Schnabel weiterzufliegen.
Karl rieb sich den Bauch und freute sich wieder einmal über das Gefühl, einen vollen Magen zu haben. Er hatte doch einige Zeit gebraucht, bis sein Körper sich umgestellt hatte.
Diesmal nur sechs Tage Fische füttern. Hmmm. Wenn das so weitergeht, werde ich in ein paar Jahren nur noch die ersten Sekunden an Bord eines Schiffes reihern.
Er sah vor sich, wie er an Bord ging, sofort erbrach und dann lächelnd und wohlgemut weiterging. Er mußte laut lachen.
Aeia schaute zu ihm auf und zog eine Augenbraue hoch, genau wie Andy-Andy es tat.
»Alles in Ordnung«, sagte er. Dann zeigte er auf die Küstenlinie. »Sieht das bekannt aus?«
»Jaaa ...« Sie nickte zuerst, schüttelte dann den Kopf. »Aber ich sehe unser Haus nicht.«
Ach, mein Kleines, Melawei hat, wie ich gehört habe, zweihundert Meilen Küste, mit Buchten, Stränden, Inseln und Lagunen. Da werden wir nicht gerade vor deiner Haustür landen. »Mach dir keine Sorgen. Es dauert vielleicht ein paar Tage, aber wir finden es.«
Sie runzelte die Stirn. »Bist du sicher?«
Rahff, der neben ihr stand, stieß sie mit dem Ellenbogen an. »Karl hat es doch versprochen, oder?«
»Rahff!«
»Ja, Karl?«
»Ein Mann, dessen Beruf die Gewaltätigkeit ist, darf bei seiner Familie oder seinen Freunden nicht gewalttätig sein. Du und ich müssen doch auf Aeia aufpassen, sie schützen, sie aber nicht herumschubsen.«
»Er hat mir aber gar nicht weh getan«, sagte Aeia.
»Rahff, du hast mich verstanden. Im Training ist das anders. Da ist es Unterricht, keine Gewalttätigkeit; außerdem kann da jeder jederzeit aufhören.
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