Hüter der Flamme 02 - Das Schwert des Befreiers
Verstanden?«
»Verstanden.«
Karl lächelte. Ein guter Junge. Rahff nahm Kritik wie einen Teil seines Unterrichts, nicht als Schlag gegen sein Ego.
Auf Ganness' lautes Kommando hin änderte der Steuermann die Richtung und manövrierte das Schiff durch zwei Sandbänke hindurch. Knirschend schabte der Rumpf an der einen entlang, bis das Schiff in das ruhige Wasser der Lagune einlief.
Karl schüttelte den Kopf. Kein Wunder, daß der Rumpf so wasserdicht wie ein Sieb war, wenn Ganness so damit umging. Selbst Ganness' Erklärung, daß die Mel erst dann mit einem Schiff Handel treiben würden, wenn es auf Grund gelaufen war, begründete nicht stichhaltig, warum man über Sandbänke rutschen mußte.
Trotzdem mußte man Ganness' seemännische Fähigkeiten bewundern. Auf dieser Seite gab es keinen Mond, und die Sonne bewirkte schwächere Gezeiten. Der Unterschied zwischen Ebbe und Flut war nicht so groß. Ganness brauchte schon Mut, absichtlich auf Grund zu fahren. Es war nicht einfach, wieder freizukommen.
Karl wandte sich an Ahira, der am Mast stand und sich bei der Schaukelei krampfhaft festgehalten hatte. Auch er spähte ans Ufer, ob sich dort im üppigen Grün ein menschliches Wesen zeigte. Ganness hatte gesagt, die Eingeborenen würden ihnen entgegenkommen, aber ...
»Karl?« Ahiras Stimme klang amüsiert.
» Ja.«
»Dreh dich nicht um. Ich muß dich etwas fragen.«
Karl zuckte mit den Schultern. »Nur zu.«
»Diese Küste sieht doch aus wie Hawaii, oder?«
»Stimmt.« Karl wollte sich umdrehen.
»Bleib noch eine Sekunde stehen«, fuhr ihn der Zwerg an. Er kicherte. »Wenn man das bedenkt, wärst du doch nicht überrascht, wenn die Eingeborenen in Einbäumen - die Ausleger-Modelle - angerudert kämen, oder?«
»Es würde mich überhaupt nicht überraschen.«
Eine ähnliche Umgebung würde auch ähnliche Artefakte hervorbringen. Die einfachste und bequemste Straße und das beste Jagdgebiet würde der See sein. Wenn die Mel nicht die Ressourcen hatten, große Segelschiffe zu bauen, würden sie einfache Kanus bauen. Wenn sie keine Tierhäute oder Birkenrinde für Kanus hatten, mußten sie sich mit ausgehöhlten Einbäumen begnügen. Da Einbäume von Haus aus instabiler als andere Boote waren, brauchte man Ausleger. Alles logisch.
»Geht es darum? Haben die Eingeborenen Einbäume?«
»Dann dreh dich mal um. Wenn du meinem Gedankengang zugestimmt hast, erkläre mir bitte, warum ihre Kanus wie Mini-Ausgaben von Wikingerschiffen aussehen.«
Karl drehte sich um.
Drei Kanus waren auf der Lagune, jedes etwa fünf bis sechs Yards lang, auf der Backbordseite war ein Ausleger angebracht. Drinnen saßen Ruderer.
Und an jedem Kanu erhob sich vorn am Bug ein Drachenhaupt.
Nachdem Karl nach Karotte und Pirat im Laderaum gesehen hatte, kam er wieder an Deck. Er sammelte Ahira, Aeia, Chak, Rahff und Tennetty in seiner Nähe und hielt sie in gebührender Entfernung von Ganness und den drei in Sarongs gekleideten Mel, die vorne am Bug über den Preis von Kopra aus Melawei und Endell-Stahl verhandelten.
Die Eingeborenen sprachen erendra mit einem merkwürdigen musikalischen Akzent, ganz anders als das eintönige Leiern in Metreyll oder die abgehackte Sprechweise in Pandathaway. Irgendwie war der Akzent vertraut ...
»Karl!« Ahira schaute zu ihm auf.
»Du hörst das doch auch?«
»Aber sicher. Kannst du mir erklären, warum diese Leutchen wie der schwedische Koch sprechen?«
Chak verzog das Gesicht. »Vielleicht würde es helfen, wenn ihr mir euer Englisch beibringen oder die Unterhaltung in Erendra führen würdet, zumindest wenn ich dabei bin.«
»Gute Idee.« Der Zwerg nickte. »Ich werde es versuchen.«
Karl entschuldigte sich. »Wir haben uns gerade über den Akzent unterhalten, den diese Mel haben. Er klingt bekannt, irgendwie heimatlich.
»Heimatlich?« Rahff schüttelte den Kopf. »Nicht bei uns.«
»Unsere Heimat.« Karl machte eine vage Handbewegung. »Die andere Seite. Eine Gegend, die man Skandinavien nennt.« Das war äußerst seltsam. Auf Unterschiede zwischen hier und zu Hause war man eingestellt; daran hatte er sich gewöhnt. Andererseits ... in Verbindung mit den Drachenhauptbooten war der vertraute Klang des örtlichen Akzents irgendwie beängstigend. Es mußte etwas bedeuten.
Aber was?
Es konnte nicht einfach eine Überführung sein, wie es mit ihrer Gruppe geschehen war. Schließlich sahen die Mel nun wirklich nicht wie Skandinavier aus. Sie hatten tiefschwarze Haare, dunkle Haut und
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