Hüter der Flamme 03 - Die Krone des Siegers
dreiundzwanzig ... vierundzwanzig ...
Der Posten stand auf, streckte sich und kratzte sich im Schritt. Dann setzte er sich wieder.
... fünfunddrei ß ig ... sechsunddreißig ...
Karl biß die Zähne zusammen, damit man sie nicht klappern hörte, als er die Manriki-Gusari in die Hand nahm.
... zweiundvierzig ... dreiundvierzig ...
Der Stein sauste durch die Luft und landete im Brombeerdickicht. Der Wachposten sprang auf, wirbelte herum und brachte sein Gewehr in Anschlag.
Karl richtete sich auf, schwang die Manriki-Gusari und schickte sie dann mit einer gleichmäßigen Bewegung los.
Die einen Meter lange Kette zischte durch die Nachtluft, wickelte sich um den Hals des Wachpostens und zog den Mann nach hinten, wobei ihm das Gewehr aus den Händen fiel. Karl war inzwischen hinübergespurtet. Jetzt zog er sein Schwert und schlug dem Posten mit der flachen Klinge auf die Finger, als dieser nach einem Messer im Gürtel greifen wollte.
Karl hielt ihm die Schwertspitze unters Kinn. »Ein Laut«, zischte er ihn an, »und du stirbst. Sei still, und du lebst. Ich gebe dir mein Wort.«
»Wer ...?«
»Cullinane, Karl Cullinane.«
Die Augen des Sklavenhändlers wurden groß. Karl stieß ihm die Fußspitze in die Magengrube und stopfte den Stoffknebel in den Mund des Mannes, als dieser nach Luft rang.
»Ich hab dir nicht versprochen, daß dir nichts weh tun wird - nur, daß du am Leben bleibst.«
Kapitel zwei
Schlachtfeld
Sage zuerst dir selbst, was du sein könntest; dann tu, was du tun mußt.
Epiktet
Karl hatte mit zunehmendem Alter gelernt, mit der Angst umzugehen. Es war ihm keine andere Wahl geblieben.
Umgehen ja - aber nicht gut. Das wäre zuviel verlangt gewesen. Karl Cullinane hatte einundzwanzig seiner neunundzwanzig Lebensjahre als Durchschnitts amerikaner in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts in Sicherheit verbracht. Tief im Innern hatte er sich immer noch nicht daran gewöhnt, diese Sicherheit nicht mehr zu besitzen. Die einzige Möglichkeit für ihn war, die Angst wegzuschieben, wenn auch nur für eine gewisse Zeit.
Die stillen Minuten vor einem Kampf waren immer die schlimmsten. Zuviel Zeit zum Nachdenken, zuviel Gelegenheit, sich Angst einjagen zu lassen.
Mit pochendem Herzen überprüfte Karl die Fesseln und den Knebel des Sklavenhändlers, ehe er ihn Daherrin übergab.
»Nimm das auch noch«, sagte Karl und gab das Gewehr und den Beutel dem Zwerg. Das Gewehr sah merkwürdig aus: Wenn es ein Schloß hatte, dann mußte es im Schaft sein. Der Abzug wirkte beinahe wie ein Miniaturpumpenschwengel.
In dem Dämmerlicht konnte er das Gewehr nicht genau untersuchen. Das mußte er sich für später aufheben - wenn es ein Später gab.
Karl ballte die Fäuste. Walter, Chak oder Daherrin mußten ja nicht sehen, wie seine Hände zitterten.
Der Zwerg packte den Sklavenhändler vorn an der Tunika und schwang ihn mühelos über die rechte Schulter. Mit der linken Hand hielt er das Gewehr und den Pulverbeutel. Zwerge waren nicht nur kleiner und stämmiger als Menschen; sie hatten auch dickere Gelenke und bei weitem stärkere Muskeln.
»Und denk dran«, ermahnte ihn Slowotski, »wenn alles hier schiefläuft - das Zeug muß ...«
»... nach Hause«, ergänzte Daherrin. »Einschließlich dieses nutzlosen Fleischklumpens.« Er wippte den Sklavenhändler auf der Schulter. »Wird gemacht.« Dann ging der Zwerg weg.
Karl holte seine Pistolen heraus und machte sie schußfertig. Dann steckte er die Phiole mit dem Zündpulver wieder weg und die Pistolen in den Gürtel, wobei er darauf achtete, daß die Mündungen nicht auf seine Beine zeigten.
Chak hatte mit seinen Pistolen das gleiche gemacht. Er tätschelte ihre geschwungenen Kolben und lächelte Karl an.
»Gwellin hatte noch ein paar in Reserve«, sagte Walter und gab ihnen die Schrotflinten, die er und der Zwerg mitgebracht hatten. »Hoffentlich habt ihr nichts gegen die Verstärkung einzuwenden.«
»Ich bestimmt nicht«, sagte Chak und schulterte die Schrotflinte.
»Ich auch nicht«, meinte Karl und stellte sie auf den Boden, während er einen Bolzen in die Armbrust einlegte und sie spannte. »Ist die Flinte geladen?«
»Standardschrotladung. Alles bis auf die Zündpfanne. Gwellin hat es selbst gemacht. Ich habe zugesehen.«
»Gut.« Karl holte die Phiole mit dem Schießpulver heraus und tat etwas auf die Pfanne. Wenn der Hahn mit dem Zündstein auf diese Metallplatte schlug, erzeugte er den Funken.
Karl bildete sich auf die Schrotflinten
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