Hüter der Flamme 04 - Der Erbe der Macht
selbst zu leiten?«
Der Zwerg nickte mit einem breiten Grinsen. »Darauf kannst du Gift nehmen«, erwiderte er in der ihm fremden Sprache Karls und seiner Freunde. »Das ist ein Spaß, wie ich ihn liebe, Chef.«
»Dann laß mir für die Zeit deiner Abwesenheit einen verläßlichen Stellvertreter hier, und kümmere dich darum, daß zusätzliche Wachen aufgestellt werden. Und paßt auf euch auf«, wandte er sich schließlich an alle. Mit gerunzelter Stirn schaute er auf Jason, der immer noch still am Tisch saß und aufmerksam zuhörte. »Jason, ich habe dir gesagt ...«
»Nein.« Der Junge biß sich auf die Lippe. Walter musterte ihn eindringlich.
Auweh. Diesen grimmigen Ausdruck hatte Walter Slowotski schon des öfteren gesehen, wenn auch nicht auf Jasons Gesicht.
Es war der Gesichtsausdruck eines Menschen, der im Begriff stand, etwas zu tun, wobei ihm die Knie weich wurden. Walter Slowotski wäre häufiger in den Genuß dieses Anblicks gekommen, hätte er einen Spiegel mit in den Kampf genommen.
Er war nicht überrascht, als Jason den Kopf schüttelte und mit erhobener Stimme zu sprechen begann, bis jedes seiner Worte so laut hallte, wie der ohrenbetäubend leise Schritt in einem Minenfeld.
»Ich komme mit«, sagte der Junge.
Kapitel fünf
Gerichtstag
Lieber sollen viele Schuldige ungestraft davonkommen, als daß ein Unschuldiger leidet... denn es ist wichtiger ... die Unschuld zu schützen, als die Schuld zu bestrafen, kommen doch Schuld und Verbrechen in der Welt so häufig vor, daß ohnehin nur der geringste Teil davon geahndet werden kann, und oft sind sie so geartet, daß es für die Öffentlichkeit ohne Belang ist, ob sie gerichtet werden oder nicht. Doch zerrt man die Unschuld vor die Schranken, um sie zu verdammen ... so wird der Mensch ausrufen: »Welche Bedeutung hat es, ob ich ein rechtschaffenes Leben führe oder ein schlechtes, birgt doch die Tugend selbst keine Sicherheit.« Und wenn diese Auffassung erst im Denken der Menschen Wurzeln geschlagen hat, werden wir das Ende aller Sicherheit erleben.
John Adams
*Guten Morgen, Euer Hochfahrenheit*, tönte es in seinem Kopf. *Es ist Zeit aufzustehen.*
Geh weg, dachte Karl Cullinane und zog sich die leicht muffig riechenden Decken über den Kopf, während er ein Gedankenbild von sich selbst heraufbeschwor, wie er Ellegons Saurierschädel unter Wasser drückte, bis der Drache Blasen schnaubte. Verflixte, verflixte Welt, wo selbst die besten Decken, die nur aufzutreiben waren, einen Geruch verströmten, als hätten sie auf einem Pferderücken Dienst getan.
Was genaugenommen den Tatsachen entsprach.
*Erstens, du könntest es nicht tun, weil ich es nicht zuließe. Zweitens, du würdest es nicht tun, weil du mich liebst, und drittens ...*
»Drittens heißt es ›Euer Hoheit‹ und nicht ›Euer Hochfahrenheit‹.«
Draußen im Hof lohte eine Feuersäule gen Himmel.*Du sagst es auf deine Art, ich auf die meine.*
Geh weg. Geh einfach weg. Ich stehe gleich auf.
*Schön.*
Also, geh ...
*Solange dein ›gleich‹ mit meinem ›sofort‹ übereinstimmt.*
»Laß mich in Ruhe.« In seinem Deckenkokon bemühte Karl sich darum, wieder einzuschlafen.
Prinz von Bieme und Kaiser von Holtun-Bieme zu sein, war im großen und ganzen kein besonderes Vergnügen, doch angeblich gehörten zu diesem Job einige Annehmlichkeiten, und die größte Annehmlichkeit bestand nach Karl Cullinanes Meinung darin, morgens auszuschlafen. Er war nicht gesonnen, darauf zu verzichten. Keinesfalls.
*Es erstaunt mich immer wieder: dieser Stoizismus, mit dem die Reichen und Mächtigen an ihrer schweren Bürde tragen, und die eiserne Entschlossenheit, mit der sie sich dagegen sträuben, daß dieser Last auch nur ein Quentchen hinzugefügt wird.*
Im Klartext, ich soll aufhören zu nörgeln und meinen Hintern aus dem Bett heben.
*Du hast einen scharfen Blick für das Offensichtliche.*
Selbst sein nach frühem Morgen schmeckender Mund verzog sich zu einem Grinsen. Ich hatte das wohl nötig, hm?
*Es kam mir so vor.*
Immerhin gehörte es zu dem Job des Drachen, zu brüllen Hör auf mit dem Blödsinn!, wann immer Karl Anstalten machte, aus der Reihe zu tanzen - selbst wenn Karl glaubte, daß es diesmal der Drache war, der aus der Reihe tanzte.
Aber trotzdem, verdammt, war es nicht mehr als gerecht.
Verglichen mit Herrschern im allgemeinen, verlangte Karl wahrhaftig nicht viel.
Auf der Anderen Seite hatten sich auch die Angehörigen des niedrigsten französischen Adels nichts dabei
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