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Hüter der heiligen Lanze - Gesamtausgabe

Hüter der heiligen Lanze - Gesamtausgabe

Titel: Hüter der heiligen Lanze - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg S. Gustmann
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habe, hatte man beide Beine nach links übereinandergelegt, sodass ein nur 14,5 cm langer Nagel, der seitlich durch beide Fersenbeine geschlagen wurde, ausreichte, gleich beide Füße auf einmal am Pfahl zu fixieren.«
    Lea wollte endlich ihre zentrale Frage beantwortet bekommen. Du hast mir immer noch nicht erklärt, woran man denn genau gestorben ist?«
    »Der Tod durch Kreuzigung war, wie gesagt, ein Erstickungstod. Es geschieht dabei Folgendes: Beim freien Hängen an gespreizten Armen setzt nach wenigen Minuten eine schwache Zwerchfellatmung ein, die nur noch einen Bruchteil der normalen Atemkapazität erreicht. Das Herz verengt sich, und der Blutdruck sinkt in den kritischen Bereich – wogegen sich der Puls drastisch erhöht. Um nur ein wenig Luft zum Atmen zu erhalten, musste man den in sich zusammengesackten Körper ruckartig an den Armen hochziehen, um sich wieder aufzurichten. Das brachte zwar der Atmung für einen Augenblick Entspannung, führte aber zu unerträglichen Schmerzen, da nun das Gewicht des ganzen Körpers allein auf den mit Nägeln durchbohrten Handgelenken lastete. So begann also ein verzweifeltes Auf und Ab, ein abwechselndes Ertragen von Schmerz und Atemnot, bis irgendwann die Kraft fehlte, sich noch einmal aufzurichten. Die anhaltende Atemnot führte dann recht schnell zur totalen Verkrampfung der Muskulatur, sodass der Verurteilte das Bewusstsein verlor und schließlich mit ähnlichen Symptomen wie beim Wundstarrkrampf starb. Hätte man das Opfer ohne jegliche Stütze ans Kreuz geheftet, wäre der Tod eine Sache von weniger als einer Stunde gewesen. Doch lag das meist gar nicht im Interesse derer, die kreuzigen ließen. Nur wenn die römischen Soldaten es eilig hatten, zerschlugen sie dem Gekreuzigten die Beine, sodass dieser sich nicht mehr abstützen konnte und innerhalb weniger Minuten verstarb.
    »Doch Jesus hat man nicht die Beine gebrochen. Das stimmt doch, oder?«
    »Nein, ihm nicht. Als man zu ihm kam, stellte man fest, dass er schon gestorben war. Damit ging die Prophezeiung aus dem Alten Testament in Erfüllung, dass man ihm nicht die Beine brechen würde. Der Hauptmann, der Jesus mit der Lanze in die Seite stach, führte unwissentlich eine Tat aus, die schon seit vielen hundert Jahren für ihn vorherbestimmt war.«
    »Wenn du sagst, dass Jesus schon tot war, ist er aber recht rasch gestorben.«
    Smith nickte. »Vergiss nicht, dass Jesus schon einige Stunden vorher unmenschliche Folterungen über sich ergehen lassen musste. Sein ganzer Körper muss eine einzige Wundfläche gewesen sein, und ich weiß nicht, wie viel Blut er vor seiner Kreuzigung schon verloren hatte. Er hat sich vermutlich bereits in einem schockähnlichen Zustand befunden. Das erklärt seinen relativ schnellen Tod.«
    Lea dachte über den Bericht des Professors nach. Zu allen Zeiten verhielten sich Menschen »unmenschlich«, doch diese detaillierten Schilderungen schockierten sie dennoch. Sie blickte zum Toten Nr. 3. »Da hat der hier ja noch richtig Glück gehabt. Zumindest ist er vermutlich schneller gestorben als die beiden anderen.«
    Smith zuckte mit den Schultern. »Darüber können wir bislang nur spekulieren. Warten wir auf die Analysen, dann sind wir schlauer.«
     
    Es klopfte an der Tür, und Mosche lugte zwischen den Zargen hindurch. Da er normale Straßenkleidung trug, war ihm der Zutritt zu dem sterilen Bereich untersagt. »Ich hatte recht«, rief er ohne Umschweife in den kargen Raum hinein.
    »Hallo, Mosche«, erwiderte Lea.
    »Kommt mal her, sonst muss ich leider rein kommen.« Schnell nahm Lea die Handschuhe und den Mundschutz ab und eilte auf Mosche zu. Er hätte es tatsächlich fertiggebracht, die Richtlinien der Sterilität zu ignorieren, da für ihn diese Maßnahmen nicht nachvollziehbar waren. Er ging davon aus, dass die Leichen mit Sicherheit auch vorher keine sterile Umgebung in ihren Gräbern genossen hatten.
    Smith bemerkte erst jetzt, dass er großen Hunger hatte, und war für die Unterbrechung nicht undankbar. »Womit hattest du Recht, Mosche?«, fragte er seinen neuen Freund und warf den OP-Kittel in einen eigens dafür vorgesehenen Trog.
    »Mit den Münzen. Ich habe mich gestern Abend schlaugemacht. Es ist, wie ich gesagt habe. Es gab drei Prägungen in drei aufeinanderfolgenden Jahren. Ich habe ein paar Bücher mitgebracht. Was haltet ihr davon, wenn ich euch beim Essen ein paar Dinge über eure drei Freunde erzähle? Oder habt ihr schon gegessen?«
    Lea und Smith sahen sich an

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