Hüter der heiligen Lanze - Gesamtausgabe
herflitzt? Nein – ganz sicher nicht!
Richard war während der Fahrt mit dem Aufzug mehrfach versucht, eines der beiden Bücher hervorzuziehen. Er brannte darauf, zu erfahren, was es damit auf sich hatte und sah sich bereits im Geiste als berühmter Entdecker längst vergessener Nazigeschichten.
Mit Gewalt riss er sich von diesen Gedanken los und rief sich das Telefongespräch mit Gerd ins Gedächtnis zurück. Was konnte der bloß gemeint haben mit seinen Befürchtungen? Mit der Firma war es in den letzten sechs Jahren stetig aufwärtsgegangen. Warum sollte es nun anders werden? Die Fahrstuhltür öffnete sich nahezu geräuschlos und Schneider steuerte auf kürzestem Weg Blomes Büro an. Es ärgerte ihn, dass er sich noch mit Firmendingen beschäftigen musste. Jetzt, da so viel aus der Vergangenheit hochgekommen war und seine Gedanken und Gefühle derart in Beschlag nahm, dass er sich davon kaum lösen konnte. Was stand nur in diesen Büchern? Würden sie ihn zwingen, seinen Vater, seine Familie, seine eigene Identität in einem neuen Licht zu sehen?
Blome hatte seinen Krawattenknoten gelockert und den obersten Knopf des Hemdes geöffnet. Das Sakko hatte er abgelegt und unter seinen Armen breiteten sich trotz niedriger Außentemperaturen große Schwitzflecken aus. Es entging Schneider nicht, dass sein Partner mit den Nerven am Ende war. Dieser Tag war für ihn zu viel gewesen: die alleinige Firmenführung, der Vortrag über die Bilanzen des letzten Jahres vor versammelter Mannschaft und zu guter Letzt die Nachricht über den Absturz der Comequad Aktie.
»Sag mir kurz und präzise, was passiert ist. Ich bin nicht in der Stimmung für ausschweifendes Gelaber«, begann Schneider.
Blome zuckte zusammen. »Es ist vor einer halben Stunde durchgegeben worden …« Schneider sah ihn forschend an. Blome fuhr fort. »Du weißt, dass wir Ende Dezember auf die letzte Sekunde für vierzehn Millionen Euro Comequad Aktien gezeichnet haben?«
Richard nickte gelangweilt. »Ja und? Die laufen bestens. Nach letzten ad hoc Meldungen wurden für das letzte Quartal 400 % Umsatzwachstum verzeichnet. Nenne mir eine andere Firma mit derart guten Zahlen.«
»Vielleicht hörst du dir erst mal an, was ich dir gerade zu erklären versuche.« Blome holte tief Luft. Wenn Schneider die Wahrheit kurz und prägnant haben wollte, sollte er sie bekommen.
»Das war alles nur getürkt, Richard. Von vorne bis hinten. Sämtliche Aktionäre sind geprellt worden. Und wir an vorderster Front, weil wir am meisten investiert haben.«
Es schien, als wären Blomes Worte nicht in Schneiders Bewusstsein vorgedrungen, er reagierte nicht – zumindest nicht sichtbar oder hörbar. Langsam begann er zu begreifen. »Willst du mir etwa erzählen, dass wir vierzehn Millionen in den Sand gesetzt haben und nichts von dem Geld zu sehen bekommen werden?«
Blome nickte und wünschte sich weit weg. Schneider zog einen Stuhl heran und ließ sich fallen. »Okay, erklär es mir«, sagte er erstaunlich ruhig, doch sein Atem ging schwer.
Blome überlegte sich seine Worte gut, er wusste, dass in Kürze in der Firma Köpfe rollen würden – und seiner sollte nicht darunter sein. »Die Medien haben heute Nachmittag pausenlos darüber berichtet. Das Ganze gilt als der größte Betrugsfall am Neuen Markt. Über Jahre hinweg hat Comequad fast alle seine Umsätze erfunden, die Bilanzen gefälscht und den Aktienkurs in die Höhe getrieben.«
Blome zog Papiere aus der Aktentasche hervor. »Am zwanzigsten Dezember haben wir Aktien im Gesamtwert von 10 Millionen gekauft und die übliche Provision, Gebühren und Spesen bezahlt. Der Kurs ging rauf und wir haben noch mal vier Millionen nachgeschossen. Bis zum Jahresende hatten wir uns also Aktien im Wert von vierzehn Millionen gesichert. Die jüngste Meldung besagte, dass Comequad weltweit der führende Multimedia-Konzern sei und im letzten Geschäftsjahr ein absolutes Rekordjahr mit einem Gewinn in Höhe von 54 Millionen Dollar und einen Umsatz von 87 Millionen Dollar erzielt habe. Sag mal ehrlich, da hättest du doch auch zugegriffen, oder nicht?«
»Wer hat veranlasst, eine derart hohe Summe bei ein und derselben Firma zu zeichnen?«, erkundigte sich Schneider scharf.
»Schilling«, gab Blome kleinlaut zu.
»Und wie kann es sein, dass ein so junger Kerl über solche Summen verfügen darf? Wenn ich mich recht entsinne, warst du für ihn persönlich verantwortlich.«
Blome war sich dieser Tatsache nur allzu bewusst, und das
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