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Hüter der verborgenen Bücher (Buch 1)

Hüter der verborgenen Bücher (Buch 1)

Titel: Hüter der verborgenen Bücher (Buch 1) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Richner
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Taschentuch hinein und streckte dem Kellner dafür eine Banknote hin. Mit spitzen Fingern nahm er sie entgegen.
    Als sie zu Hause waren, verzog Emily sich in ihr Zimmer und versuchte, in einem Buch zu lesen, doch bald gab sie seufzend auf. Sie konnte sich unmöglich konzentrieren. Vor den Fenstern wurde es immer düsterer. Über der Heizung lagen die vor Nässe dampfenden Kleider und verströmten einen muffeligen Geruch nach alten Socken und feuchten Putzlappen.

Großtante Sophia
    Erst spät am Abend erfuhr sie endlich, was los war. Jedenfalls dachte sie das.
    „Emily?“, rief ihre Mutter.
    Emily schreckte hoch und öffnete die Zimmertür. Mittlerweile war es draußen stockfinster geworden.
    „Ja?“, rief sie zurück. Ihre Stimme klang etwas piepsig dabei.
    „Kommst du bitte mal ins Wohnzimmer? Ich und dein Vater… ähm… dein Vater und ich… wir… also… hm… müssen mit dir reden.“
    Mit einem unbehaglichen Gefühl im Bauch schlich Emily die Treppe hinunter und trat ins Wohnzimmer. Ihre Mutter lächelte ihr zu, führte sie zu einem Sessel und drückte sie in die Kissen. Dann setzte sie sich neben Emilys Vater auf die Couch. Der zupfte unruhig an den Blättern einer Topfpflanze herum.
    „Wir müssen mit dir reden“, begann ihre Mutter und lächelte dabei. Ein bisschen verkrampft allerdings.
    „Hast du schon gesagt“, murmelte Emily.
    „Ja. Also. Levin, willst du nicht beginnen?“ Hilfesuchend wendete sie sich an Emilys Vater. Der zuckte zusammen und riss dabei aus Versehen das Blatt von der Pflanze.
    „Levin, bitte, das ist eine besonders wertvolle…“, zischte Olivia Rubinstern und holte tief Luft. Sie versuchte ein Lächeln, doch es wirkte schief.
    „Dein Vater und ich haben uns unterhalten.“ Sie machte eine Pause und räusperte sich. Nervös schaute Emily sie an.
    „Worüber denn?“, fragte sie, als sie es nicht mehr aushielt.
    „Nun ja, darüber, dass du… die Schule verlassen musst“, meinte sie.
    „Oh“, sagte Emily.
    Sie fühlte sich, als hätte Tom oder Jerry sie in den Magen geboxt. Also doch: Sie war von der Charlotte Kaiser geflogen. Die Geschichte mit der Vitrine war zu viel gewesen. Emily rieb sich die Stirn.
    „Und wo soll ich jetzt zur Schule gehen?“, fragte sie. Vielleicht war eine neue Schule ja gar nicht schlecht. Wenigstens wäre sie dann Tom und Jerry los. Vielleicht durfte sie sogar auf ihre alte Schule zurück, wo all ihre Freunde von früher waren!
    Ihre Eltern schauten sich an.
    „Nun ja.“ Levin Rubinstern drehte das abgerissene Pflanzenblatt zwischen den Fingern herum. „Du sollst zu Sophia ziehen.“
    Emily schaute ihn verständnislos an. „Wer ist Sophia?“
    Ihr Vater seufzte und warf seiner Frau einen Blick zu. Dann sagte er:
    „Deine Großtante.“
    In diesem Moment wurde Emily einiges klar. Deshalb hatten sich ihre Eltern heute so seltsam verhalten… weil sie beschlossen hatten, dass sie Emily wegschicken würden. Zu einer Verwandten, die sie noch nie im Leben getroffen hatte.
    „Aber ich will nicht dahin. Ich bleibe hier“, sagte sie.
    Der Vater schüttelte nur den Kopf.
    „Das wird bestimmt aufregend für dich“, kam ihm seine Frau zu Hilfe.
    „Aufregend?“, schnaubte Emily. „Ich habe Sophia noch nie gesehen. Ich ziehe bestimmt nicht zu jemandem, den ich gar nicht kenne.“
    Ihre Eltern schauten sie wortlos an.
    „Ich gehe da nicht hin!“, rief Emily so laut, dass Amethyst erschrocken in die Luft sprang und in einem der Pflanzenkörbe landete, die von der Decke baumelten.
    „Das könnt ihr nicht machen. Ihr könnt mich nicht einfach zu ihr schicken!“ Emily verschränkte die Arme und guckte ihre Eltern so wütend wie möglich an. Leider wirkte es nicht.
    „Es muss sein, Emily“, erwiderte Olivia Rubinstern und klang auf einmal sehr müde. „Es geht nicht anders.“
    „Aber…“ Emily drehte sich zu ihrem Vater um. Der zuckte die Schultern und sagte:
    „Sie hat leider recht. Es geht nicht anders.“
    Dann war es still im Wohnzimmer. Nur Amethysts beleidigtes Maunzen drang zwischen den Pflanzen hervor.
    „Und wann soll ich zu Sophia ziehen?“, fragte Emily.
    Ihre Eltern schwiegen sehr lange, bis Emilys Mutter die unangenehme Stille unterbrach:
    „Sofort.“
    „Du meinst… jetzt gleich?“, fragte Emily ungläubig.
    „Na ja, morgen“, beschwichtigte ihr Vater. „Wir fahren dich hin. Nach dem Mittagessen geht’s los, dann sollten wir gegen Abend dort sein.“
    „Du gehst also am besten gleich nach oben und packst“,

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