Hüterin der Nacht: Roman (German Edition)
Springvale zu kommen.«
»Ich weiß. Deshalb habe ich Salliane gebeten, dir ein anderes Auto zu besorgen. Versuch nur, es nicht zu verbeulen oder zu Schrott zu fahren.«
Ich sparte mir den Hinweis, dass ich das letzte Auto nicht zu Schrott gefahren hatte, und sprang von dem Schreibtisch herunter. »Ich melde mich, sobald ich mit Dunleavy gesprochen habe.«
»Mach das. Alex arbeitet an dem jungen Vampir, um herausfinden, was Gautier wirklich vorhat.«
Ich runzelte die Stirn. »Der Babyvampir ist tot. Wie zum Teufel kann sie an einem Toten arbeiten?«
»Er ist ein Vampir. Wenn man uns nicht gerade im Sonnenlicht verbrennt, können Grundfunktionen des Gehirns einschließlich der Fähigkeit zur Regeneration noch Stunden erhalten bleiben. Einige von den älteren, stärkeren Vampiren können sogar mit gebrochenem Hals überleben. Das heißt, es sind noch genügend Gedanken da, die man lesen kann.«
Die Vorstellung war überaus gruselig. Aber ich hatte dem jungen Vampir nicht den Hals gebrochen, ich hatte ihn abgetrennt. Ich hätte gedacht, dass das eine vollkommen andere Sache war. »Ich dachte, einem Vampir den Hals zu brechen, wäre die zweitsicherste Art, ihn zu töten?«
»Das ist es auch, nur nicht bei ganz alten. In einer relativ sicheren Position können sich die Alten irgendwann erholen. Bei den jungen und sehr jungen dauert es lediglich länger, bis sie wirklich sterben.«
»Jemand, der so alt ist wie Quinn, könnte sich also erholen ?«
»Nein. Direktorin Hunter könnte es. Quinn ist wahrscheinlich knapp vor dem erforderlichen Alter, so dass er eine Fünfzig-fünfzig-Überlebenschance hätte.«
Je länger ich mit Vampiren zusammenarbeitete, desto mehr lernte ich über sie. Und umso geheimnisvoller erschienen mir diese Mistkerle. »Was für kleine Feinheiten verheimlicht ihr Vampire eigentlich noch vor uns anderen ?«
»Nicht viel, das schwöre ich.«
»Na klar, und ich glaube, dass du das ernst meinst.«
Anstatt etwas zu erwidern, blickte Jack auf seine Armbanduhr. Ich verstand den Wink und machte mich schnell auf den Weg, um mir die Wagenschlüssel von der Karamellkuh zu besorgen.
Bob Dunleavy bewohnte ein kleines Haus oder Stadthaus, wie sie von Immobilienmaklern gern bezeichnet wurden, nur wenige Blocks von der Polizeiwache von Springvale entfernt. Vielleicht wollten die Jungs in Blau ihn im Auge behalten. Oder vielleicht glaubte Dunleavy, dass sie gerade nicht auf ihn achteten, wenn er so dicht in ihrer Nähe wohnte. Angesichts seines Strafregisters schien dieser Plan bislang allerdings nicht aufgegangen zu sein.
Ich lächelte, legte die Arme auf das Lenkrad und musterte die Stadthäuser auf der gegenüberliegenden Straßenseite, nicht nur, weil ich nach einem Hinweis suchte, dass Dunleavy zu Hause war, sondern auch, um mir ein Bild von dem Mann zu machen.
Nach dem Haus zu urteilen war Dunleavy ein Chaot. Was sein langes Strafregister erklärte, denn ein ordentlicher Dieb wurde nicht so schnell geschnappt wie ein unordentlicher.
Auf den Grundstücken in diesem alteingesessenen Teil von Springvale hatten locker drei Häuser Platz, und in der Straße hatte man die meisten alten Villen bereits abgerissen, um Platz für ihre kleineren Verwandten zu schaffen. Die Schilder mit der Aufschrift »Zu verkaufen« in den Vorgärten der zwei noch verbliebenen Villen ließen vermuten, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis die gesamte Straße aus Mietshäusern bestand.
Dunleavy gehörte das hintere Stadthaus, das an den rückwärtigen Zaun und die Bahnschienen grenzte, die dahinter entlangliefen. Da es frontal zur Auffahrt stand und nicht seitlich wie die beiden anderen, war es von der Straße aus deutlich zu sehen. Dunleavys Nachbarn dürfte das wenig gefallen. Denn im Gegensatz zu ihren kleinen Gärten war seiner alles andere als sauber und gepflegt. Das sorgte bestimmt für schlechte Stimmung unter den Nachbarn.
Zwei der vorderen Fenster waren kaputt. Die fehlenden Scheiben hatte man durch vollkommen durchweichte Pappe ersetzt, die von langen schwarzen Klebestreifen gehalten wurde. Auf beiden Seiten der Fenster hingen traurige alte Vorhänge, die vergilbt und zerschlissen aussahen. Vor die anderen Fenster war Zeitungspapier geklebt. Von der Eingangstür blätterte die Farbe ab, und selbst das Mauerwerk sah reichlich mitgenommen aus, als hätte sich der Staub von Jahrtausenden darauf festgesetzt.
Innen war niemand zu sehen, wohingegen sich in den beiden anderen Stadthäusern deutlich jemand
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