Hüterin der Nacht: Roman (German Edition)
ab und zog den Bademantel wieder an. Sobald ich die Musik und die Unterwasserdüsen ein- und das Licht ausgeschaltet hatte, verließ ich die Kabine.
Der Flur war leer, bis auf eine Frau im Bademantel, die mir vom anderen Ende entgegenkam. Als ich in ihre Richtung ging, achtete sie nicht weiter auf mich und verschwand in einer der Kabinen. Kurz darauf wurden dort die Unterwasserdüsen eingeschaltet, was bedeutete, dass sie die nächsten zwanzig Minuten beschäftigt war. Ich blieb am Ende des Flurs stehen und sah nach rechts und nach links.
Rechts ging es zu dem Hauptbereich des Gebäudes und den Fahrstühlen. In die Richtung wollte ich nicht. Außerdem waren die Ausgänge verschlossen und alarmgesichert.
Wie der Junge gesagt hatte, befanden sich links die Toiletten und daneben eine doppelte Glastür mit der Aufschrift »Zutritt nur für Personal« – eine Einladung für Neugierige.
Ich sah kurz über meine Schulter zurück, um mich davon zu überzeugen, dass nicht der Junge oder irgendjemand anders hinter mir herkam, dann trat ich an das Kartenlesegerät. Ich spähte durch die Scheibe, suchte nach Kameras und zog die Karte durch den Schlitz. Das Gerät piepte, das Licht sprang auf Grün, und die Tür summte. Ich öffnete sie und schlüpfte hinein.
Ich stand in einem großen stillen Raum. Vier Türen gingen von ihm ab, eine von ihnen stand offen und gab den Blick auf einen gut ausgestatteten Aufenthaltsraum für das Personal frei. Nicht die Art Raum, in dem viele Geheimnisse zu erwarten waren, und somit jedenfalls nicht die Art Raum, die ich suchte.
Ich lief auf die erste verschlossene Tür zu und öffnete sie vorsichtig. Sie führte in einen kleinen Flur, von dem verschiedene Büros abgingen, die dem weiblichen Geschnatter nach zu urteilen besetzt waren. Ich ging weiter zu Tür Nummer zwei. Dahinter befand sich lediglich ein großer Lagerraum. Tür Nummer drei war nur mit Schlüsselkarte zugänglich.
Ich zog die Karte des Jungen durch den Schlitz, aber das kleine Licht blieb stur auf Rot geschaltet. Anscheinend hatte Raj keine Zugangsberechtigung für diesen Bereich.
Ich trat zurück und musterte den Türrahmen, suchte nach einem Alarm und fragte mich, ob ich es riskieren sollte, die Tür aufzubrechen. Während ich darüber nachdachte, schrillte eine Klingel los.
Adrenalin schoss durch meinen Körper, und ein paar Sekunden war ich sicher, aufgeflogen zu sein. Mein Herz hämmerte wie verrückt in meinem Hals.
Ich wich zurück und machte mich bereit zu fliehen und mich zu verstecken, als ich bemerkte, dass das Klingeln von einem Telefon stammte. Ich musste über meine Schreckhaftigkeit schmunzeln, allerdings nur kurz. Denn als das Telefon aufhörte zu klingeln, vernahm ich Schritte.
Sie drangen aus dem Raum hinter der verschlossenen Tür.
Jemand kam heraus.
Diesmal drehte ich mich um und rannte los, aber nur bis zum nächsten Schlupfwinkel in Form des Lagerraums. Ich ließ die Tür einen Spalt breit offen stehen, so dass ich hindurchlinsen konnte.
Die verschlossene Tür ging auf, und ein großer blonder Mann, ganz in Schwarz gekleidet, kam heraus. Er hielt eine geflochtene schwarze Peitsche in der einen Hand und spielte mit der anderen daran herum. Als er näher kam, zog ich mich in die Dunkelheit zurück, schloss aber nicht die Tür, weil ich vermutete, dass eine Tür, die sich auf einmal schloss, auffälliger war als eine, die einen Spalt offen stand.
Er blieb nicht stehen, sondern schlenderte vorbei und betrat den Bürobereich. Ich blickte zurück zu der Tür, aus der er gekommen war, sah, dass sie noch nicht ganz zugefallen war, rannte wie der Teufel los und schlüpfte durch den verbleibenden Spalt, wobei ich meine Brüste mit den Händen fest an meinen Körper presste, um die Tür nicht zu streifen.
Sie fiel mit einem leisen Klicken ins Schloss, das seltsam widerzuhallen schien. Vor mir erstreckte sich ein langer, dunkler Flur. Ich hörte nichts außer meinem eigenen Atmen. Die Luft war abgestanden, roch alt und moderig und nach etwas, das ich nicht deuten konnte.
Etwas, das mir Schauer über den Rücken jagte.
Ich rieb mir fröstelnd die Arme und wünschte, ich hätte etwas Wärmeres als einen Bademantel an. Ich konnte die Kälte zwar noch nie sonderlich gut vertragen, war aber ziemlich sicher, dass die Gänsehaut, die meinen Körper nun überlief, mehr der Angst geschuldet war.
Ich hüllte mich in Schatten, für den Fall, dass jemand überraschend den Flur betrat, tappte weiter und folgte
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