Hüterin der Nacht: Roman (German Edition)
dem Geruch, den ich nicht benennen konnte.
Bald kamen weitere Gerüche hinzu. Von Schweiß und Blut. Und ein Hauch Jasmin. Wenn nicht zwei Frauen genau denselben Duft benutzten, war Jan Tait in der Nähe.
In der Dunkelheit tauchten Türen auf. Vier insgesamt, zwei auf der linken, zwei auf der rechten Seite. Ich hob die Nase und prüfte, aus welcher Richtung der Jasminduft kam. Er schien aus der ersten Tür auf der rechten Seite zu kommen, aber es war schwer zu sagen, denn der unbekannte Geruch überdeckte alles andere. Und der Geruch kam aus der zweiten Tür auf der linken Seite.
Ich überlegte. Es roch ein bisschen nach Verzweiflung, sehr stark nach Tod und nach einer Mischung aus Mann und Frau. Der Geruch von Tod erinnerte mich etwas an Gautier, war aber irgendwie anders.
Mit der Mischung aus Gerüchen nahm ich ein seltsames Quäken wahr.
Wieder lief mir ein Schauder über die Haut. Ich streckte die Hand nach dem Türgriff rechts von mir aus. Unter gar keinen Umständen durfte ich den anderen Raum untersuchen oder den Geruch, der von ihm ausging, denn es fühlte sich einfach falsch an. Ich war zwar ein Werwolf und betrat häufig Bereiche, in die sich nur Idioten trauten, aber ich war kein vollkommener Idiot. Jedenfalls nicht, wenn ich allein war und keine Verstärkung im Rücken hatte.
Ich öffnete also vorsichtig die Tür zu dem Raum rechts von mir und spähte hinein. Er lag vollkommen im Dunkeln, und bis auf ein leises Keuchen war kein Geräusch zu hören. Jan Tait oder wer auch immer das war, befand sich allein in dem Raum.
Ich schlüpfte hinein und schloss die Tür, dann schaltete ich auf Infrarotsicht. Und sah eine Art mittelalterliche Folterkammer. Es gab Gestelle mit groben Holzrädern und dicken Seilen daran, Ketten mit Handschellen hingen von der Decke, ein riesiges Holzrad spannte sich über einen tiefen Wassertrog, und an Ringen, die in die Wände eingelassen waren, waren rustikale Seile gebunden.
An einem von ihnen hing eine Frau. Ihre Zehen berührten kaum noch den Boden, so dass ihr gesamtes Gewicht auf Armen und Schultern lastete.
Die Schmerzen mussten sie umbringen. Aber als mein Blick weiter nach unten glitt, bemerkte ich, dass das bei Weitem nicht alles war. Ihre hellbraunen Haare trug sie in einem ordentlichen Pferdeschwanz. Um den Kopf trug sie ein Tuch, das die Augen bedeckte und an ihrem Hinterkopf zusammengebunden war. Die losen Enden fielen auf ihren Rücken hinunter, der blutig und aufgerissen war. Eigentlich sah die Haut dort überhaupt nicht mehr wie Haut aus, sondern mehr wie Fleischfetzen. Sie rang nach Luft und keuchte, aber trotz ihres offenen Rückens nicht etwa aus Angst oder vor Schmerz, sondern vor Erregung. Ihre Lust hing genauso schwer in der Luft wie der Geruch von Blut. Diese Frau, wer auch immer sie war, fuhr auf den Mist ab, den man hier mit ihr veranstaltete.
Ich schüttelte mich bei der Vorstellung und ging weiter. Der Teppich wurde von Fliesen abgelöst, die sich eisig unter meinen nackten Zehen anfühlten. Meine Schritte waren ein leises Flüstern in der Stille.
Die Frau veränderte ihre Haltung, so dass ihr Gewicht stärker auf ihren Armen lastete, und stieß daraufhin ein lustvolles Stöhnen aus. »Mehr«, flüsterte sie. »Ich brauche mehr…«
Ich blieb hinter ihr stehen und betrachtete die Schnitte. Die Striemen in dem rohen Fleisch deuteten darauf hin, dass hier vermutlich die Peitsche zum Einsatz gekommen war, die ich vorhin bei dem Mann gesehen hatte. Was hieß, dass er zurückkommen würde.
Wenn ich diese Frau befragen oder ihre Gedanken lesen wollte, um ein paar Antworten zu erhalten, musste ich mich beeilen. Ich senkte meine Schutzschilde und drang rasch in das Bewusstsein der Frau ein.
Was ein schwerer Fehler war.
Ihre Gedanken bestanden nur aus Schmerz und heftiger Erregung, und die Mondhitze reagierte entsprechend. Schweiß trat auf meine Haut, und ich konnte mich gerade noch beherrschen, mich nicht umzudrehen, den nächsten Mann zu suchen und ihn besinnungslos zu vögeln.
Ich riss mich von den Gedanken der Frau los und holte tief Luft. Okay, ich musste auf die altmodische Weise an Antworten kommen.
»Jan? Wieso tust du das?«
»Ich brauche das. Ich bezahle dafür.«
Ich hob die Brauen. Der Hunter’s Club hatte offenbar mehr als nur ein bisschen Gymnastik und Massagen zu bieten. Interessant. »Wie viel bezahlst du dafür, Jan?«
Sie wand sich in den Seilen, und ihre Handgelenke waren so wund, dass über ihren linken Arm eine Blutspur zu
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